Salzburger Hofmusik III

 

H.I.F.Biber
Sonata VI aus den Sonatae, Violino Solo, 1681
( ), Passacagli, Adagio, Gavotte, Adagio-Allegro-Adagio

Johann Joseph Vilsmayr
Partia V aus Artificiosus Concentus pro Camera, 1715
Prelude, Gavott, Saraband, Rigodon, Guig, Menuett, Bourè, Retirada

Georg Muffat
Passacaglia g moll aus
„Apparatus Musico Organisticus“ Salzburg ( 1690)

* * *

H.I.F.Biber
Sonate VII aus den Sonatae, Violino Solo, 1681
( ), Aria, Adagio-Grave-Presto-Adagio, Ciacona

Johann Joseph Vilsmayr
Partia VI aus Artificiosus Concentus pro Camera, 1715
Prelude, Aria, Saraband, Aria-Variatio, Menuett, Aria,
Menuett, Aria, Guig, Eccho, Aria variata

H.I.F.Biber
Sonata III aus Sonatae, Violino Solo, 1681
Adagio-Presto-Adagio, Adagio-Presto-Adagio-Presto,
Aria-Variatio, Presto-Adagio-Allegro-Adagio,Variatio


ARS ANTIQUA AUSTRIA
Leitung: Gunar Letzbor

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J.J.VILSMAYR: „ARMONIA ARTIFICIOSA“
Johann Joseph Vilsmayr (1663-1722) wirkte ab 1.September 1689 bis zu seinem Tod am 11.Juli 1722 als Hofviolinist an der Salzburger Hofkapelle.
Er war erwiesenermaßen Schüler von H.I.F.Biber, dürfte sich aber in der Folge selbständig weitergebildet haben. Die Steigerung seiner Qualität als Geiger läßt sich einigermaßen aus der Erhöhung seines Einkommens ermessen. Am Anfang seines Wirkens als Hofgeiger mußte er sich mit  6 fl begnügen, dazu kam noch ein Betrag für Brot und Wein. 1697 betrug sein monatliches Einkommen als „Ante-Camera-Kammerdiener“ bereits 25 fl. .
Eine Eintragung im Stift Lambach bestätigt dem „hochfürstlichen Musiker“ Vilsmayr bei seiner Abreise ein Salär von 20fl..
In der British Library hat sich eine Sammlung Vilsmayrs mit dem Titel „ ARTIFICIOSUS CONCENTUS PRO CAMERA, distributus in Sex Partes, seu Partias à Violino Solo Con Basso bellè imitante“ (Salzburg 1715) erhalten.
Der Titel „Con Basso bellè imitante“ hat einiges zur Verwirrung beigetragen. Bis vor kurzem waren die Fachleute überzeugt, daß das Werk unvollständig überliefert wurde. Erst zur Jahrtausendwende legte P.H.Nobes im Vorwort zu einer Facsimileedition überzeugend dar, daß mit dem imitierenden Baß auch die zweistimmige Stimmführung der Solovioline gemeint sein könnte. Nach Durchsicht der Musik war alles sonnenklar. Man war lange Zeit einer Fehlinterpretation des Titels aufgesessen!
Die sechs Partien haben eine durchschnittliche Länge von 15 Minuten. Der Stil ist französisch mit starkem österreichischem Kolorit. Virtuose Solopassagen erinnern an H.I.F.Biber. Die Melodiebildung greift häufig auf Volksmusikgut zurück - ein weiteres Stilmerkmal der österreichischen Barockmusik. Die mehrstimmige Schreibart erinnert eher an Biber als an Corelli. Die Sonaten 2-5 verwenden verschiedene Skordaturen der Violine - eine österreichische Eigenart.
Der Kompositionsstil Vilsmayers ist höchst abwechslungsreich. Farben und Stimmungen finden sich im stetigen Wechsel, virtuoses Passagenwerk und überraschende harmonische Wendungen stehen neben rhythmisch mitreißenden Tanzsätzen.
In ihrer komplexen Qualität kann man von Vilsmayers „Armonia Artificiosa“ sicherlich behaupten, daß sie einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu den 6 Sonaten und Partiten von J.S.Bach darstellen. Eine aufregende Neuentdeckung, deren Einfluß auf das Konzertleben nachhaltig sein wird. Die Gesamtaufnahme der Sammlung durch den Geiger Gunar Letzbor erscheint  2004 im CD- Label ARCANA.

Georg Muffat
Ein paneuropäischer Komponist mit politischem Weitblick

Georg Muffat wurde in Savoyen geboren, verbrachte seine Kindheit im Elsaß und tätigte seine Studien in Paris. Schließlich flieht er vor dem Französisch-Österreichischem Krieg nach Wien und Prag (Sonata auß. D, 1766). 1678 tritt er in die Dienste des Salzburger Erzbischofs Max Gandolf ein, der ihn zu Studien nach Italien schickt (Armonico Tributo, 1682). 1690 widmet er Kaiser Leopold I seinen “Apparatus“ anläßlich der Krönung von Erzherzog Joseph zum römischen König in Augsburg (Coronatio Augusta), im selben Jahr tritt er in die Dienste des Passauer Bischofs Johann Philipp von Lamberg ein (Florilegien 1695 und 1698, Instrumental-Music 1701).
Im Vorwort zum Florilegium I legt er seine politischen Ansichten, seine Visionen vom Zusammenleben aller Völker in Eintracht dar:
“ Die Kriegerische Waffen und ihre Ursachen seyn ferne von mir; Die Noten, die Seiten, die liebliche Music-Thonen geben mir meine Verrichtungen, und da ich die Französische Art der Teutschen und Welschen einmenge, keinen Krieg anstiffte, sondern vielleicht deren Völker erwünschter Zusammenstimmung, dem lieben Frieden etwann vorspiele.“
Das war eine Vision, die sicherlich auch für die viersprachige (lateinisch, englisch, französisch und deutsch) Ausführung seiner letzten drei im Druck erschienenen Compendien verantwortlich zeichnet !
Wie vielen Propheten war es auch G. Muffat nicht vergönnt, die Früchte seiner politischen Visionen selbst zu erleben. Am 11. Jänner 1704 besetzten Truppen des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern Passau, ein Geplänkel im Spanischen Erbfolgekrieg.
- 1688 hatte Muffat anläßlich eines Todesfalles im Zuge der Eroberung Belgrads (ein Bruder seines Dienstherren Graf Maximilian von Scherffenberg wurde dabei getötet) ein Concerto mit dem Titel “Trauriger Sieg“ verfaßt. Jetzt hatte er keine Gelegenheit, ein weiteres Werk etwa mit dem Titel “Fröhliche Niederlage“ anzufügen. -
Im Totenbuch der Stadt ist vermerkt: “ Am 23. Februar 1704, verschied der Edl Gestrenge und Kunstreiche Herr Georg Muffat, Sr. Hochfürstlichen Eminenz zu Passau, etc. gewester Kapellmeister.“  Er wurde “bei den hohen Dombstift in dem Creizgang beigelegt“

H.I.F.Biber
Heinrich Ignaz Franz Von Biber, Truchseß und Kapellmeister des Erzbischofs von Salzburg, wurde 1644 in Wartenberg (Böhmen) geboren. Er wirkte ab 1668 in Olmütz bzw. Kremsier als Geiger und Gambist des dortigen Bischofs Karl Lichtenstein- Kastelkorn. Aus dieser Zeit sind auch Kontakte mit Johann Heinrich Schmelzer, „primo Violinista della Capella Casarea“ belegt. Schmelzers Briefwechsel mit dem Olmützer Bischof bezeugen die Vorliebe des Kirchenfürsten für tonmalerische Musik. Bekannt sind etwa die „Fechtschul“ , die Soloviolinsonate „Cucu“ oder das berühmte Lamento „Todtenglockh“ auf den Tod Ferdinands III. Wohl um dieser Neigung seines Brotgebers nachzukommen, komponierte Biber 1669 die „Sonata Violino representativa“, in der verschiedene Tierlaute auf der Violine imitiert werden. Sein Wirken als Gambist konnte ihn zu verstärkten Versuchen mit der Skordatur veranlaßt haben. Die bemerkenswerte Verwendung von Doppelgriffen zur rhythmischen bzw. harmonischen Strukturierung von Tanzsätzen zeigt einen weiteren Bezugspunkt zur Gambe.
1671 ist das Jahr seines Dienstbeginns in Salzburg. Seine Berufslaufbahn: „Hofviolinist“, „Vizekapellmeister“ (1678), „Hofkapellmeister“ (1684). Als hochgeschätzter Violinvirtuose reist Biber viel (u.a. in die Residenzstädte München und Wien). 1690 wird Heinrich Ignaz Franz Biber schließlich vom Kaiser Leopold I. in den Adelsstand erhoben. Er stirbt 1704 in Salzburg.

Seine „Sonatae Violino solo“ widmete Biber 1681 dem Salzburger Bischof Max Gandolph. Rege Beziehungen zum oberösterreichischen Raum (er spielte im Stift Lambach vor dem Kaiser) veranlaßten ihn, ein Exemplar der Sonatensammlung dem Stift Kremsmünster zu überreichen. Eine Kopie dieses wunderschönen Druckes dient den Interpreten als Notenvorlage. Es erstaunt, daß die Violinsonaten - im Gegensatz zu den Mysterien-Sonaten - bisher eher weniger Beachtung im heutigen Konzertrepertoire finden.
Biber lernte im Laufe seines Lebens sicherlich die wesentlichen Strömungen in der Entwicklung der Violinmusik kennen. Komponistenkollegen wie Nicolaus Adam Strungk (1640-1706), Johann Heinrich Schmelzer (1623-1680), Thomas Baltzar (1630-1663), Johann Jakob Walther (1650-1717), Johann Paul von Westhoff (1656-1705) hatten nördlich der Alpen einen eigenen Violinstil entwickelt, der sich wesentlich vom Stil der italienischen Geiger (allen voran Arcangelo Corelli) unterschied.
Einige Merkmale: Erweiterung des Tonumfanges (bis 7 Lage), besondere Stricharten (bariolage, arpeggiando, ondeggiando, staccato), tonmalerische Effekte, Skordatur, bemerkenswerte Doppelgrifftechnik, häufige Verwendung von Variationsformen mit mannigfaltigen Figurationen, Läufen und Arpeggien.
Biber benutzte diese Spieleffekte, die Floskeln und Figuren, die Möglichkeiten des Doppelgriffspiels und das große Repertoire der neuen Stricharten um sein Instrument in beeindruckender Weise zum Sprechen zu bringen, in einer ganz persönlichen Art und Weise. Er faßte den gesamten Entwicklungsstand der Geigenkomposition zusammen, bereicherte ihn mit neuen Ideen und führte die Violinmusik mit den „Sonatae Violino solo“ zur ersten Hochblüte. In der 3. Sonate F Dur sprengt er alle Konventionen der zeitgenössischen Stilistik und entwickelt Klanggebilde, die auch noch Hörer des 21. Jahrhunderts in ihrer Modernität überraschen.

 

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