Passauer Hofmusik


Woher wird dir vergönnt den Immen aufzusetzen
So honigreiche Blum, darin sich zuergetzen?
            Was macht, daß du so kühn die Tantzer gleichsam zwingst?
            Und ihre Regl Schritt in gute Ordnung bringst?
Was hat dich längst gesetzt in deines Fürsten Gunst?
Du schweigst, und ich thu sagen, das sey dein grosse Kunst.
            Apollo kränzt dich, und ist dir zugethan,
            Weil seinen Musen selbst eröffnen thust die Bahn.
Die Müh ist wohl verkaufft, wer so lehrnt Geigen rühren,
Kann jeden, der es hört, behend zum Tantze führen,
            Selbst ich von denen bin, der es bezeugen muß,
            Daß dein Mesur und Takt, mir glehrnet hab mein Fuß
Zu schleiffen ab und auf die Piroueten drehen
Jetzt die Cadenze gantz auß gleich Lebens loß zu stehen.
            Was aus Pariß sonst her man holen mußt mit Müh
            Schon längst ersetzet hat dein Kunst zu Wienn und hie.
Georg dir sey gedanckt, fahr fort mit Blumengaben,
Wann Freund und Feind sie rücht, wird können sich dran laben,
            Nemt sieben Büschlein an, wer Virtuos will seyn,
            Der Nutz daraus ist gwiß, ich stell zum Bürg mich ein.
                        Also singt und springt

Christian Leopold Krünne,
Hochfürstl. Passauischer Cammerdiener und Tantzmeister

 

Georg Muffat (1653-1704)
aus FLORILEGIUM PRIMUM (1695): „Eusebia“
Ouverture-Allegro, Air, Sarabande, Gigue I, Gavotte, Gigue II, Menuet

Rupert Ignaz Mayr (1646-1712)
Triosonate in d für 2 Violinen und B.c.

Benedikt Anton Aufschnaiter (1665-1742)
DULCIS FIDIUM HARMONIA, op.4 (1703): „S.Lucae“
Pars I: Allegro-Adagio
Pars II: Adagio-Allegro-Adagio-Presto-Adagio

Georg Muffat
aus FLORILEGIUM PRIMUM: „Constantia“
Air Grave, Entrée des Fraudes, Entrée des Insultes, Gavotte, Bourée, Menuett I/II, Gigue

Ad Zoilum

Dein Stachel, Spöttler, acht ich schlecht,
            Nur bey Verstand such ich mein Recht,
Dann wie dein Maul und der Geschmack,
            Also ist auch dein Futtersack.
Ob schon ich halt dem Eselthier
            Die allerschönste Blumen für,
Acht er derselben sich nicht sehr,
            Weil ihm die Distel schmecket mehr.

G.Muffat
                       
* * *

Kremsmünsterer Lautenhandschrift
„Passagaglia de Monseur Muffat“

Benedikt Anton Aufschnaiter
DULCIS FIDIUM HARMONIA, op.4
„S.Joannis“
Pars I: Presto-Adagio-Presto-Adagio-Allegro-Adagio-Allegro
Pars II: Adagio-Presto-Adagio-Allegro
                                   
Georg Muffat
Auserlesener mit Ernst-und Lust-gemengter Instrumentalmusic
erste Versamblung/ In zwölf fürtrefflich und zur sonderlichen
Belustigung des Gehörs auff bißhero ungewöhnliche Arth
Mit grossem Fleiß außgearbeiteten Concerten bestehend:
So wohl mit wenig-als vilen: Nemlich mit fünf/ oder drei
Nothwendigen Geigen allein/samt dem Basso Cantinuo nach
Belieben/ genugsamblich/und zierlich zu produzieren:

„Propitia Sydera“ (Günstiges Gestirn)
Sonata-Aria-Gavotta-Grave-Ciacona-Borea


ARS ANTIQUA AUSTRIA
Leitung: Gunar Letzbor

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Georg Muffat
Ein paneuropäischer Komponist mit politischem Weitblick
Georg Muffat wurde in Savoyen geboren, verbrachte seine Kindheit im Elsaß und tätigte seine Studien in Paris. Schließlich flieht er vor dem Französisch-Österreichischem Krieg nach Wien und Prag (Sonata auß. D, 1766). 1678 tritt er in die Dienste des Salzburger Erzbischofs Max Gandolf ein, der ihn zu Studien nach Italien schickt (Armonico Tributo, 1682). 1690 widmet er Kaiser Leopold I seinen “Apparatus“ anläßlich der Krönung von Erzherzog Joseph zum römischen König in Augsburg (Coronatio Augusta), im selben Jahr tritt er in die Dienste des Passauer Bischofs Johann Philipp von Lamberg ein (Florilegien 1695 und 1698, Instrumental-Music 1701).
In einem Vorwort legt er seine politischen Ansichten, seine Visionen vom Zusammenleben aller Völker in Eintracht dar:
“Die Kriegerische Waffen und ihre Ursachen seyn ferne von mir; Die Noten, die Seiten, die liebliche Music-Thonen geben mir meine Verrichtungen, und da ich die Französische Art der Teutschen und Welschen einmenge, keinen Krieg anstiffte, sondern vielleicht deren Völker erwünschter Zusammenstimmung, dem lieben Frieden etwann vorspiele.“
Das war eine Vision, die sicherlich auch für die viersprachige (lateinisch, englisch, französisch und deutsch) Ausführung seiner letzten drei im Druck erschienenen Compendien verantwortlich zeichnet!
Wie vielen Propheten war es auch G. Muffat nicht vergönnt, die Früchte seiner politischen Visionen selbst zu erleben. Am 11. Jänner 1704 besetzten Truppen des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern Passau, ein Geplänkel im Spanischen Erbfolgekrieg.
- 1688 hatte Muffat anläßlich eines Todesfalles im Zuge der Eroberung Belgrads (ein Bruder seines Dienstherren Graf Maximilian von Scherffenberg wurde dabei getötet) ein Concerto mit dem Titel “Trauriger Sieg“ verfaßt. Jetzt hatte er keine Gelegenheit mehr, ein weiteres Werk etwa mit dem Titel “Fröhliche Niederlage“ anzufügen. -
Im Totenbuch der Stadt ist vermerkt: “ Am 23. Februar 1704, verschied der Edl Gestrenge und Kunstreiche Herr Georg Muffat, Sr. Hochfürstlichen Eminenz zu Passau, etc. gewester Kapellmeister.“  Er wurde “bei den hohen Dombstift in dem Creizgang beigelegt.“

Rupert Ignaz Mayr
Rupert Ignaz Mayr wurde 1646 in Schärding geboren, er starb am  7. Februar 1712 in Freising. Mayr trat 1670 als Violinist am fürstbischöflichen Hof in Freising unter dem Kapellmeister Mazzuchini auf und war in Eichstätt, Regensburg und Passau tätig, bevor er 1683 nach München kam. Von Kurfürst Max Emanuel wurde er zur »Perfectionierung« nach Paris gesandt, wo er die Kunst Lullys kennen lernte. 1685 kehrte er als Hofmusiker nach München zurück. Hier betätigte er sich nicht nur als Primus Violinista Aulae et Camerae musicus, sondern auch als Komponist. Am 26. Juli 1706 wurde er zum fürstbischöflichen Hofkapellmeister  in Freising ernannt. Es oblag ihm die Kirchen- und Kammermusik, für die er zahlreiche eigene Werke schuf. Ebenso schrieb er eine Reihe von Schulspielen, von denen mehrere in Langs Theatrum gedruckt überliefert sind. Wie die Freisinger Musikinventare ausweisen, pflegte er vor allem die Werke des Münchener Kreises um J. Chr. Pez, J.K. Kerll, Bernabei, während der große Bestand älterer Kompositionen, die S. Karpf 1651 noch in seinem Inventar der Freisinger Hofkapelle aufführt, nicht mehr gebraucht wurden. Eine große Zahl eigener Werke, die meist verloren sind, zählte zum Repertoire der Freisinger Hofmusik. Nach seinem Tode führte sein Nachfolger J. Jakob Pez die von R.I. Mayr begonnene künstlerische Richtung am Freisinger Hof weiter.
Die künstlerische Entwicklung an dem von italienischen Musikern geprägten Musikleben des Münchener Hofs und sein Studienaufenthalt in Paris bestimmten R.I. Mayrs Werke. Die französische Geigenkunst Lullys und die französische Suite haben, verbunden mit seiner frischen altbayrischen Erfindungskraft, in seinen Instrumentalwerken wie in Muffats Suiten ihren Niederschlag gefunden. Seine Kirchenmusik folgt einerseits dem stile antico, andererseits dem chorischen Konzertprinzip und der konzertanten Monodie. Eine ausdrucksreiche Erfindung und kontrapunktisch bewegte Stimmführung zeichnen seine Werke aus. Ebenso wie ihnen die Eleganz des Satzes A. Steffanis fehlt, so ist Mayr auch fern der Schwere der kirchenmusikalischen Werke Murschhausers. In ihrer Geschlossenheit und prägnanten Themengestaltung entsprechen sie der Kunst J.K. Kerlls und der österreichischen Meister um H.F. Biber wie der Salzburger Komponisten um die Wende des 17./18. Jh. Die dramatischen Werke sind von dem süddeutschen Jesuiten- und Benediktinerspiel bestimmt, das von der Kantate Carissimis in ihrer Solo und Chor verbindenden Gestalt geformt ist.
Karl Gustav Fellerer

Benedikt Anton Aufschnaiter
Benedikt Anton Aufschnaiter wurde am 21 Februar 1665 in Kitzbühel in Tirol als Sohn von Andreas und Salome Aufschnaiter getauft. Außer einem Taufbucheintrag ist kein weiteres Dokument aus semer Kindheit überliefert. Seine musikalische Ausbildung erhielt er wahrscheinlich in Wien, wo er sich bis zu seiner Anstellung als Domkapellmeister in Passau aufhielt. Als seine Lehrer nennt er im Vorwort seines theoretischen Werkes Regulae Fundamentales Musurgiae Jacobus Carissimi, Orlando di Lasso, Kaspar Kerll und Adam Gumpelzhaimer. In einem Brief aus dem Jahre 1724 schreibt er «Ich hab in wienn, allwo ich mich vill jahr befunten die meisten Musiquen auch nur mit 16 oder 18, aber sambentlich perfectis Musicis produziert» Dies läßt vermuten, daß Aufschnaiter in Diensten des Wiener Hofes gewesen sein dürfte. Ebenso nennt ihn der Chronist des Klosters Hradisko (Böhmen) 1701 «Musicus et Componista moderni temporis inter Viennenses non postremus». Im Jahre 1695 starb in Wien seine erste Frau Maria. Diese Ehe blieb kinderlos. Bald darauf heiratete er seine zweite Frau Barbara. Der einzige Sohn Joseph Antonius Franziskus verstarb 36jährig 1734 in Passau.
Am 16 Januar 1705 wurde Aufschnaiter durch Fürstbischof Johann Philipp Graf Lamberg als Nachfolger des verstorbenen Georg Muffat an den furstbischoflichen Hof nach Passau als Hof- und Domkapellmeister berufen. Im Gegensatz zu seinem Vorganger Georg Muffat komponierte Aufschnaiter sehr viel für die Figuralmusik im Dom. Daß er aber nicht nur Kirchenmusik schrieb, beweist eine Aufstellung seiner Kompositionen aus dem Jahre 1715, die 5 Sonaten sowie 17 Serenaden, Parthien und Konzerte vermerkt. Trotzdem wurde Aufschnaiter im Jahre 1728 von seinem Bischof wegen seiner wenigen weltlichen Kompositionen getadelt. Aufschnaiter rechtfertigte sich mit der geringen Leistungsfähigkeit der Passauer Hofmusik. Benedikt Anton Aufschnaiter starb im Januar 1742 in Passau. Sein Grabstein ist nicht mehr vorhanden, dieser wurde beim Abbruch des gotischen Kreuzganges des Domes verkauft.

Werke
Bisher wurden von mir ca. 300 Kompositionen von Aufschnaiter entdeckt, die aber meiner Meinung nach nur einen Bruchteil seines Gesamtschaffens darstellen. Als Drucke von Instrumentalwerken sind seine 1695 m Nürnberg erschienenen 6 Orchestersuiten Concors Discordia, op. 2 sowie die 1703 in Augsburg veröffentlichten 8 Kirchensonaten Dulcis Fidium Harmoniae, op. 4 erhalten geblieben. Im Jahre 1709 erschienen die Vespern Memnon sacer ab Oriente, op. 5, 1711 seine fünf großen Messen Alaudae V, op. 6, 1719 die 12 Offertorien Aquila clangens, op. 7, und 1728 seine Vespern Cymbalum Davidis, op. 8.
Benedikt Anton Aufschnaiter nahm als Kirchenkomponist im großen Kreise seiner deutschen Zeitgenossen einen der oberen Plätze ein, er hielt mit der Entwicklung seiner Zeit Schritt und bildete sich im Sinne der jungen, aufstrebenden Kunst weiter. Daß ihm dies gelang, beweist die Tatsache, daß er trotz des erstaunlich schnellen Aufschwungs der Musik noch in den letzten Jahrzehnten des 18 Jahrhunderts abgeschrieben und aufgeführt wurde. Die meisten erhaltenen Werke sind reine Kirchenmusik. Neben den Werken "quotidiana" finden sich die oben erwähnten Drucke mit Messen, Qffertorien und Vespern.
Dulcis Fidium Harmoniae, op. 4
Aufschnaiters Kirchensonaten wurden als Opus 4 im Jahre 1703 in Augsburg gedruckt. Zu dieser Zeit war die sonata da chiesa sehr beliebt und fast jeder Komponist schrieb Werke dieser Form. So erschienen Kirchensonaten von Torelli, Veracini, Ruggieri, Albinoni oder Marini. Hatten diese Komponisten noch eine viersatzige Form, so wendet sich Aufschnaiter der Wiener Tradition, u.a. Bertali oder Schmelzer, zu, die die Kirchensonaten meist einsatzig gestaltet.
Aufschnaiter widmet seine Sonaten jeweils den angeführten Heiligen. Bei den ersten vier Sonaten sind die vier großen Kirchenvater Gregor von Nyssa, Ambrosius von Mailand, Augustinus und Hieronymus im Titel genannt, bei den letzten vier Kirchensonaten die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Als Vorbilder für einen solchen Zyklus können die Biblischen Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber oder die Biblischen Historien von Johann Kuhnau genannt werden.
Die Kirchensonaten von Benedikt Anton Aufschnaiter sind außer der dritten Sonate, die dem Hl. Augustinus gewidmet ist, durchwegs zweiteilig, indem sie entweder mit Pars I und Pars II bezeichnet oder durch einen Taktwechsel voneinander getrennt werden. Meistens beginnt der erste Teil im geraden Takt, der zweite im weltlicheren Dreivierteltakt. Eine Ausnahme stellt die fünfte Sonate, dem Evangelisten Matthaus gewidmet, dar, die mit einem Dreivierteltakt beginnt. Die Kirchensonaten als Ganzes betrachtet, fällt auf, daß Aufschnaiter die vorliegende Sammlung als zusammenhängende Programmidee gedacht hat. Jede Sonate hat eine eigene Tonart, die nicht geändert wird. Benedikt Anton Aufschnaiter beweist in seinen Kirchensonaten seine vielfältigen Ausdrucksmittel sowie sein Können auf dem Gebiet des Kontrapunktes. Er verwendet die barocke Farbenpracht der Harmonik mit den phrygischen Schlüssen, aber auch plötzliche Dur-Moll Rückungen. Heinrich Ignaz Franz Biber kann als Vorbild für die oft komplizierte Doppeignfftechnik sowie die virtuose Stimmführung der Solovioline genannt werden.
In letzter Zeit werden vermehrt Kompositionen von Benedikt Anton Aufschnaiter aufgeführt und eingespielt. Viele Werke liegen noch unveröffentlicht in Klosterarchiven und warten auf die Entdeckung für den kirchenmusikalischen Gebrauch.
Peter LECHL (Passau, März 2003)

Betrachtungen herab vom Podium
Aufschnaiter, dieser Name klingt auch für Österreicher sonderbar. Als ich erstmals die Musik dieses Komponisten hörte, war ich sofort begeistert. Eine hochentwickelte,  eigenständige musikalische Sprache mit ausgeprägtem österreichischen Kolorit fesselte meine Sinne. Leidenschaft, Freude, Angst, Verzweiflung, Liebe, Gottesfurcht, Zärtlichkeit, Ausgelassenheit, Unbekümmertheit....- Gefühle des Lebens traten  mir in komprimierter musikalischer Form entgegen und trafen meine Seele in nicht oft verspürter Intensität. In Folge hatte ich mich auch intellektuell  mit Aufschnaiters Musik auseinandergesetzt und kam aus dem Erstaunen über die unerhörte Meisterschaft  im Tonsatz dieses Komponisten nicht heraus. Die feinen polyphonen Linien verbinden sich beinahe mühelos zu  ausdrucksstarken Harmoniefolgen. Homophone Abschnitte zaubern Klangfarben  und Stimmungen abwechslungsreich und immer wieder überraschend. Dynamische Kontraste sind ebenso einleuchtend wie notwendig bei der Dichtheit des musikalischen Geschehens. Die Instrumentalstimmen sind absolut instrumentidiomatisch entwickelt. Die Virtuosität der Spieler wird gefordert und auch wirksam zum Erklingen gebracht. Selbst die Meisterschaft des mehrstimmigen Spiels auf der Violine wird bei Aufschnaiter beeindruckend dargestellt.
Aufschnaiter ein katholischer Bach? Eine gewagte Frage, aber urteilen Sie selbst!
Gunar Letzbor

 

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