vom 5.07.2002
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Opernfestspiele: Rosenkranz
Himmel hoch

Den Opfern der Flugzeugkatastrophe am Bodensee war der Abend von Festspiel+ mit der Gesamtaufführung der Sonaten über die Mysterien des Rosenkranzes von Heinrich Ignaz Franz Biber gewidmet. Vielleicht hat das die Sensibilität so manchen Konzert-besuchers in der Herz-Jesu-Kirche noch geschärft, aber auch ohne diesen tragischen Bezug wäre jeder, der ausgeharrt hatte und nach dreieinhalb (!) Stunden die musika-lische Krönung Mariens erlebte, berührt und bereichert nach Hause gegangen.
Bibers 15 Sonaten vom 1680 sind nicht nur Musik, sondern auch Glaubens- bekenntnis und spiegeln überdies ein Leiden an der Welt und an der Existenz der Menschen, das in kaum einer musikalischen Passion derart unmittelbar erlebbar ist. So schön und reich die ersten fünf Sonaten des Freudenreichen Rosenkranzes komponiert sind und ebenso gespielt wurden vom phan-tastisch wagemutigen Barockgeiger Gunar Letzbor und dem Ensemble Ars Antiqua Austria, so nervenzerreibend sind Blut-schwitzen, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuztragung und Kreuzigung. Hier werden nicht nur die jedesmal extremer zu stim-menden Instrumente auf den Prüfstand gesetzt, sondern auch das musikalische Ethos der Spieler von Geige, Violone, Orgel oder Arciliuto. Sie müssen sich nicht nur einem fremden Verhältnis von Notenbild und Klang stellen, sondern auch hässliche, quälend intensive, manchmal geräuschhafte, oft gar schreiende Töne wagen.
Der Hörer hat sich nicht minder offen zu verhalten gegenüber einer Musik, die ihn mit immer neuen Klängen und Verläufen kon-frontiert und in seinen Hörgewohnheiten herausfordert. Kein Wunder, dass nach diesen konzentrierten, nur selten durch die Rezitation von Christine Ostermayer unter-brochenen zwei Stunden viele Plätze leer waren. Doch so erlebten manche auch nicht mehr die grandiose Auferstehung mit einer strahlenden Choralbearbeitung über "Surrexit Christus hodie", die grell-festliche Himmelfahrt Christi oder die übermütige Tanzmusik für die Ankunft Mariens im Glorreichen Rosenkranz. Nach der von Gunar Letzbor mit nicht nachlassender Kon-zentration gespielten Passacaglia für Violine solo gab es denn auch für diese selten beein-druckende musikalische Wallfahrt großen und gelösten Beifall.
KLAUS KALCHSCHMID