SALZBURGER NACHRICHTEN - KULTUR 11.08.2004
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Rosenkranz in Tönen
Ein intimer Abend:
"Musik & Dichtung" mit Peter
Simonischek
Es habe nach Biber nie wieder ein Komponist den Versuch gewagt, das
Rosenkranzgebet unmittelbar in "absolute" Musik umzusetzen, eben weil
der Instrumentalmusik die Worte fehlten. So formulierte es Domdechant
Johannes Neuhardt, der die literarischen Beiträge für den Abend "Musik &
Dichtung" am Montag in der Stiftskirche St. Peter ausgesucht hatte.
Damit hat er natürlich recht - und doch auch wieder nicht.
Die Geigensprache Bibers in den "Rosenkranz-Sonaten" ist mysteriös und
zugleich auf verblüffende Weise griffig, unmissverständlich. Es mag sich
ein sehr freies Gedankenfeld für musikalische Assoziationen auftun in
der Sonate X, wenn Jesu Auferstehung das Thema ist und in der
eröffnenden "Sonata" eine ganz eigenartig "zerfahrene" Pastorale
scheinbar aus Melodiefetzen zusammengesetzt wird.
Aber dann half Biber der Vorstellungskraft seiner Hörer sehr bestimmt
nach, indem er die Geige ein altes Kirchenlied anstimmen, das
Bassinstrument im Kanon antworten ließ - und dieser Satz verdichtet sich
enorm. Die Form der "Rosenkranz-Sonaten" ist ganz frei, die
Auferstehungssonate endet nicht mit dem zu erwartenden instrumentalen
Triumphgesang, sondern mit einem ganz feinen Adagiosatz, wie ein Echo,
von innen heraus nachklingend.
Mystischer Klartext aus dem Instrument Der Linzer Geiger Gunar Letzbor
und sein Ensemble "Ars Antiqua Austria" sind so etwas wie die
Schauspielmusik bei den Salzburger Festspielen. Sie gehören zu
Jedermanns Tischgesellschaft und sie setzten jüngst auch der
achtstündigen (!) Marathonlesung von Tankred Dorsts "Merlin" einige
Musik-Lichter auf. Am Montag in der Stiftskirche St. Peter also "Musik &
Dichtung". Gunar Letzbor, ein Schüler von Reinhard Goebel, einem der
wegweisenden Biber-Exegeten unserer Tage, ist ein brillanter und
charismatischer Geiger. Er redet mystischen Klartext mit seinem
Instrument.
"Ars Antiqua Austria" hatte an diesem Abend Außerordentliches zu bieten.
Zu Cembalo, Orgel und Violone kam ein besonders reichhaltiges Zupfwerk:
Laute, Barockgitarre und "Colascione", eine in Salzburg im späten 17.
Jahrhundert "erfundene" Spezialform der Laute. Mit solchem Tonwerkzeug
lässt sich in der ersten Sonate mit ansehnlichem Effekt vorführen, wie
es wohl war, als der Heilige Geist über die Jungfrau kam. Da denkt man
auch bei so leisen Originaltoninstrumenten an ein Donnergrollen.
Starke Musikimpulse also - diese Biber-Interpretation konnte sich
jederzeit messen mit jenem Ausnahmekonzert von John Holloway in Salzburg
beim Festival "Pfingsten barock", das noch in frischer Erinnerung ist.
Peter Simonischek scheint in seiner Rezitation gespürt zu haben, wie
stark, voller Charisma diese Interpretation war, und er hat sich wohl
deswegen so stark zurückgenommen, auf jeden aufgesetzten Effekt
verzichtet: feine marianische Literatur von Hildegard von Bingen bis
Gottfried Bachl, Wortgewaltiges wie die famose Osterpredigt des heiligen
Johannes Chrysostomos oder "Spät habe ich Dich geliebt" vom Kirchenvater
Augustinus, ein Beispiel für spätantiken Pietismus.
Reinhard Kriechbaum