Ganz fein, ganz erlesen kann es auch zugehen bei Münchens Opernfestspielen.
Zum Beispiel in der Herz-Jesu- Kirche. Dort forschte man nach den "Mysterien
des Rosenkranzes" und hielt das Publikum fast vier konzentrierte Stunden
hindurch bis weit nach Mitternacht in Atem.
Um 1670 schrieb Heinrich Ignaz Franz Biber 15 dem Salzburger Erzbischof
gewidmete "Rosenkranz Sonaten", die an die Menschwerdung Christi
und an Jesu Wirken auf Erden erinnern. Für jede Sonate muss die Geige
neu gestimmt werden, damit jedes Stück ein neues Geheimnis repräsentiert.
Ein aufwändiges, mitunter durchaus nervenzehrendes Unterfangen also.
Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria widmeten sich dem Zyklus
mit der Leidenschaft der für musikalische Rarissima entflammten Entdecker.
Man bestaunt den zurückgenommenen Ausdruck, die Eleganz der Melodieführung,
die Virilität der Tanzformen, manch katastrophisch zugespitzte Schroffheit,
auch den lyrischen Ruhepol der langsamen Sätze und lässt sich
einbinden in den ruhigen Rhythmus, das demütige Gleichmaß der
Musik.
Vor allem der Schlussteil mit seinen feinen Seelenschwingungen, der plötzlich
aufkeimenden musikalischen Individualität und seinen farbenreichen
Hymnen faszinierte. Und bereitet das Terrain für die virtuose, als
Einzelstück berühmte "Schutzengel-Passacaglia", in der
Letzbor nochmals alle Register seiner Geigenkunst ziehen konnte.
Über die Festival-Ergänzung "Festspiel +", die der Bayerischen
Staatsoper binnen kürzester Zeit fast mehr Renommee eingebracht hat
als manch teure Hochglanz-Premiere der alten Prägung, war man an diesem
Abend besonders froh.
o Jan Schleusener