Münchner Merkur, vom 4.07.2002
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15 Geheimnisse
Opernfestspiele: "Rosenkranz-Sonaten"

 


15 Geheimnisse
Opernfestspiele: "Rosenkranz-Sonaten"

Ganz fein, ganz erlesen kann es auch zugehen bei Münchens Opernfestspielen. Zum Beispiel in der Herz-Jesu- Kirche. Dort forschte man nach den "Mysterien des Rosenkranzes" und hielt das Publikum fast vier konzentrierte Stunden hindurch bis weit nach Mitternacht in Atem.
Um 1670 schrieb Heinrich Ignaz Franz Biber 15 dem Salzburger Erzbischof gewidmete "Rosenkranz Sonaten", die an die Menschwerdung Christi und an Jesu Wirken auf Erden erinnern. Für jede Sonate muss die Geige neu gestimmt werden, damit jedes Stück ein neues Geheimnis repräsentiert. Ein aufwändiges, mitunter durchaus nervenzehrendes Unterfangen also.
Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria widmeten sich dem Zyklus mit der Leidenschaft der für musikalische Rarissima entflammten Entdecker. Man bestaunt den zurückgenommenen Ausdruck, die Eleganz der Melodieführung, die Virilität der Tanzformen, manch katastrophisch zugespitzte Schroffheit, auch den lyrischen Ruhepol der langsamen Sätze und lässt sich einbinden in den ruhigen Rhythmus, das demütige Gleichmaß der Musik.
Vor allem der Schlussteil mit seinen feinen Seelenschwingungen, der plötzlich aufkeimenden musikalischen Individualität und seinen farbenreichen Hymnen faszinierte. Und bereitet das Terrain für die virtuose, als Einzelstück berühmte "Schutzengel-Passacaglia", in der Letzbor nochmals alle Register seiner Geigenkunst ziehen konnte.
Über die Festival-Ergänzung "Festspiel +", die der Bayerischen Staatsoper binnen kürzester Zeit fast mehr Renommee eingebracht hat als manch teure Hochglanz-Premiere der alten Prägung, war man an diesem Abend besonders froh.
o Jan Schleusener