KONZERT:
H.I.F. Biber "Rosenkranzsonaten"

Tagblatt, Dienstag, 22. Juni 2010

Drei Freigeister an den Grenzen des Möglichen

Von wegen angestaubt: Historische Musik, von Freigeistern geboten, kann unendlich spannend sein. Das zeigte das Konzert der „Ars Antiqua Austria“ aus Österreich mit den Mysterien-Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber in der Wallfahrtskirche von Frauenrain. Genau so strahlend und einnehmend wie das von vielen Besuchern bestaunte alte Gotteshaus auf dem Hügel über Antdorf präsentierten die österreichischen Musiker die Rosenkranz-Sonaten des Salzburger Komponisten. Veranstalter Johannes Schickhaus gelang mit diesem Konzert ein fulminanter Auftakt für den diesjährigen „Musiksommer Loisachtal“, der heuer 20-jähriges Bestehen feiert.

Schickhaus, der sich der Wiedergabe historischer Musik verschrieben hat, dankte zur Eröffnung seinem treuen Publikum, das die Konzertreihe über diese zwei Jahrzehnte trug. Die Salzburger Musiker mit Geiger Gunar Letzbor, Hubert Hoffmann an der Laute und Norbert Zeilberger an der Orgel spielten exzellent, fern verstaubter Doktrin, erweckten die über 300 Jahre alten Werke zu aktueller Lebendigkeit.

Letzbor spielte virtuos mit dem von Biber in seinen Kompositionen eingesetzten Mittel der auch von Paganini gern benutzten „Skordatur“, änderte die Stimmung seiner Geige im Schnelltempo – in der Sonata X, „Jesus, der für uns gekreuzigt worden ist“, sogar um eine ganze Quint. So ging der Geiger bisweilen an die Grenzen des Möglichen.

Das Publikum durfte teilhaben: Letzbor erklärt, wie die Saiten gerade beim Kreuzigungsthema bei aller Verstimmung nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich hinter Griffbrett und Steg gekreuzt aufgespannt werden. Letzbor spielt alle Stimmungslagen
an, Doppelgriffe im Springbogen. Seine Geige erklingt leidenschaftlich. In Hoffmann und Zeilberger hat er Begleiter, die nicht nur im Geiste, sondern auch in der Fähigkeit zur Umsetzung solcher Interpretationen adäquat sind.

Das Publikum in Frauenrain war begeistert, ließ sich entgegen der Gepflogenheiten spontan zu Beifall nach jeder Sonata hinreißen und hätte sich einer Zugabe erfreuen dürfen – wäre nicht die A-Saite der Geige gerissen. Aber das war nach dem rasanten Auftritt von Letzbor fast zu erwarten.
ELVIRA MROTZEK