CONCERTO 221, Aug-Sept 2008: Klosterkomponisten aus dem Süden
RONDO 02/2010

 

CONCERTO 221, August/September 2008

Klosterkomponisten aus dem Süden


Romanus Weichlein: Missa rectorium cordium à15; Motetten. R. Marian, M. Wild, M. Forster, St. Florianer Sängerknaben, Vokalensemble Nova, Ars Antiqua Austria, Ltg. Gunar Letzbar. Symphonia (04213) @)2007 (Vertrieb Helikon Harmonia Mundi) CD


Der Benediktinerpater Romanus Weichlein (1652-1706) ist zweifellos einer der interessantesten Klosterkomponisten, die bislang wiederentdeckt wurden. Dass man seine Musik heute wieder hören kann, ist Gunar Letzbor und seinen Mitstreitern von Ars Antiqua Austria zu verdanken. Sie legten bereits Mitte der 1990er Jahre eine komplette Aufnahme von Weichleins beeindruckender Sonatensammlung Encaenia Musices von 1695 vor und lieferten Weichlein damit quasi das Entrée in die heutige Musikpflege.

Nun präsentieren sie neben drei kleinen Gelegenheitswerken (von denen zwei vielleicht von Weichleins Bruder Franz stammen) die große Festmesse Rectorum cordium von 1687. Weichlein schrieb sie für sein Heimatstift Lambach und lehnte sich dabei hörbar an den Salzburger Stil namentlich Heinrich Ignaz Franz Bibers an. Das kann nicht verwundern, war Weichlein doch auch für das Benediktinerinnenkloster am Nonnberg in Salzburg tätig, so dass er den Hofkapellmeister sicher auch persönlich kennenlernte. Auch hat wohl Bibers Missa Salisburgensis von 1682 ihre Spuren in Weichleins Messe hinterlassen. Die ist zwar >nur< 15-stimmig gehalten (die Salisburgensis 54-stimmig), die Verhältnisse in Lambach sahen aber eben bescheidener aus. Die Qualität der dortigen Aufführungen war jedoch laut dem Zeugnis des Hofkonzertmeisters Johannes Beer eine besondere, nämlich »fast die beste Musik, so nechst der Wienerischen in dem Erzherzogtume Österreich den billichen Ruhm hat«.

Letzbor besetzt sein Ensemble mit solistischen Streichern und reduziert entsprechend auch die Ripienostimmen im Chor. Im Beiheft hält er ein flammendes Plädoyer für die Verwendung von Kinderstimmen im Chor (womit er historisch gesehen wahrscheinlich Recht hat), und in der Tat sind die St. Florianer Sänger knaben in der Aufnahme eine wahre >Ohrenweide<. [...]
Die Interpretation ist allerdings hervorragend, schlank und am Bläserklang orientiert, was dem Werk sehr gut bekommt. Der 6-stimmige, klein besetzte Chor intoniert brillant und ausgewogen, und das beschert der Aufnahme doch eine wohltuende klangliche Fülle. Die kompositorischen Details des Werks werden mit Genuss ausgekostet, etwa der außerordentlich beeindruckende >Trauermarsch< des »Crucifixus«, bei dem die Clarini >con Zärdino< spielen müssen.

Als Kuriosität bietet die CD Weichleins Canon über das Posthärndl, den Letzbor und seine Mitstreiter mit Dissonanzen überhäufen, was die eigentliche Virtuosität der Komposition vielleicht ein wenig überdeckt. So gespielt, macht das kleine Werk die Ohren aber frei für die zwei Karwochen-Offizien, die in ihrer Schlichtheit als eine besondere spirituelle Vorbereitung auf die im Programm folgende Messe wirken können.
Olaf Krone


KLASSIK · CD · REZENSIONEN

ROMANUS WEICHLEIN
Missa Rectorum Cordium, Zwei Offizien für die Karwoche, Canon über das Post-Hörnl

Ars Antiqua Austria, St. Florianer Sängerknaben, Vokalensemble Nova, Gunar Letzbor
Symphonia SY 06223 (50 Min., 9/2006) 1 CD

Schon der Komponistenname klingt einnehmend. Das gilt nicht minder für das Schaffen seines 1706 verstorbenen Trägers, der als Mönch am Stift Lambach, am Salzburger Nonnberg und im südtirolischen Säben wirkte. Und das gilt erst recht für die Art, wie seine erst vor drei Jahren von Claudia Gerauer partiturgemäß eingerichtete "Missa Rectorum Cordium" von 1687 nun präsentiert wird: Unter Gunar Letzbors Leitung kommt der "solenne" Charakter dieser sechsstimmigen Messe, die mit je drei Posaunen- und Clarinstimmen stilistisch ihre Nähe zur festlichen Salzburger Hofmusik zeigt, trefflichst zum Ausdruck. Zwar reicht Weichleins Pracht nicht ganz an die überbordendende der "Missa Salisburgensis" seines ungleich berühmteren, zwei Jahre vor ihm verstorbenen Zeitgenossen Biber heran; das schmälert jedoch keineswegs den Genuss dieser Repertoirebereicherung. Zudem das Werk mit einigen individuellen Kunstgriffen aufwartet (etwa die "Trinitäts"-Orientierung des Stimmsatzes, der unsymmetrische "Kyrie"-Aufbau oder der verhaltene "Sanctus"-Beginn); daneben überrascht eine außergewöhnlich plastische, zwischen "con sordino"-Intimität und herrscherlichen Trompeten changierende "Credo"-Ausdeutung. In den mitunter solistisch agierenden, vorzüglich intonierenden St. Florianer Sängerknaben, dem Vokalensemble "Nova" und dem klangfarblich reichhaltigen, einfühlsam stets auf die Sänger hörenden "Ars Antiqua Austria"-Ensemble findet diese verschollene Klosterkunst nach 300 Jahren beste (heimatliche) Fürsprecher. Und in ihrem Leiter zudem einen augenzwinkernden Provokateur, der nicht nur mit ausnehmend langen "Amen"-Ritardandi, sondern auch mit einem mitreißend-kratzbürstigen "Canon über das Post-Hörnl" zum Hinhören zwingt und auf mehr "Weichlein" hoffen lässt.
Christoph Braun, 29.02.2008