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Schlachtengetöse
mit künstlerischer Ambition
Kritik von Dr. Matthias Lange, 29.05.2025
Battaglien und verwandte Kompositionen des 17. und 18.
Jahrhunderts in einer temperamentvollen Deutung durch die Ars
Antiqua Austria.
Es war im Europa vor allem des 17., aber auch noch des 18.
Jahrhunderts nahezu unmöglich, keine Erfahrungen mit Kriegen oder
anderen bewaffneten Konflikten zu machen, nicht mit Gewalt, Not,
Hunger, Seuchen und Verheerung in Folge militärischer
Auseinandersetzungen konfrontiert zu werden. Diese Allgegenwart
spiegelt sich auch in einem Teil der musikalischen Produktion jener
Zeit, in Suiten, Sinfonien, Canzonen und Sonaten, die das Ensemble
Ars Antiqua Austria unter der musikalischen Leitung des Geigers
Gunar Letzbor jetzt beim Label Pan Classics vorgestellt hat. Diese
Stücke tragen Battaglia-Elemente teils implizit in sich, wie eine
Sonate von Dario Castello, eine Canzona von Marcin Mielczewski oder
die Synfonia a 3 ex C von Johann Joseph Fux. Andere Werke sehen
stärker ausgearbeitete Szenen, so ‚Die Musikalische Fechtschul‘ von
Johann Heinrich Schmelzer, die Sinfonia ‚La Gran Battaglia‘ von
Marco Uccellini, Johann Sigismund Kussers Suitensatz ‚Les
combattans‘ oder zwei Abschnitte mit den sprechenden Titeln ‚Les
cambattants‘ und ‚Les vainqueurs‘ aus einer Partita ex C, abermals
von Fux. Schließlich sind Arbeiten im Programm vertreten, die durch
explizite Titel und eine ausgefeilte dramatisch-programmatische
Gliederung geradezu bildhaft zeichnen und plastische Satzcharaktere
unmissverständlich ausformulieren. Dazu gehören von Ferdinand Cauer
‚Die Eroberung Ocsakob‘, eine ‚sonate militare per Clavic. o forte
Piano‘, eine achtsätzige Battaglia-Suite von Heinrich Ignaz Franz
Biber sowie ‚Die Türkenschlacht bei Wien‘ von Andreas Anton
Schmelzer, der mit gekonnten Kniffen wie der Änderung der Skordatur
der Solo-Violine die zehnte Rosenkranz-Sonate von Biber zu einem
effektvollen und durch die hohe Saitenspannung von harschen
Geigentönen bestimmten Klangbild umformt und an das tosende
Schlachtengeschehen anlehnt.
Die Musik ist insgesamt überwiegend farbkräftig, frisch bewegt,
rhythmisch klar akzentuiert, mit scharfen Kontrasten in Charakter
und expressiver Geste, nicht immer subtil und doch auch mit Momenten
der Klage und Introspektion, wenn der musikalische Blick nach dem
Kampf über das Schlachtfeld und durch das Lager der Verwundeten und
Verheerten streift, beispielhaft zu hören im letzten Satz bei Biber,
der zutreffend mit ‚Adagio. Lamento der Verwundten Musquetirer‘
betitelt ist.
Perkussiv
Gunar Letzbor geht in seinem Booklettext ausführlich auf sein
Unbehagen am Hintergrund dieser Musiken ein, angesichts wieder sehr
präsenten Kriegsgeschehens. Kann man solche Musik spielen, so
reizvoll sie hinsichtlich ihrer primären Parameter sein mag, so
technisch und affektiv ambitioniert sie ist? Letzbor entscheidet
sich – die Existenz der Platte beweist es – letztlich für ein ‚Ja‘,
nicht ohne ausführlich zu betonen, dass die Wertschätzung der den
Kompositionen innewohnenden Qualitäten keineswegs seine
christlich-pazifistische Grundeinstellung berührt.
Das Ensemble Ars Antiqua Austria ist in diesem Programm zu vielfach
leidenschaftlichem Spiel herausgefordert – technisch durch
schlagende und springende Bögen bei den Streichern umgesetzt, durch
vollgriffige, ruppig ausgeführte Arpeggien bei den Zupfinstrumenten
oder durch den Einsatz eines Regal-Registers der erklingenden Orgel,
deren Zungenpfeifen schnarrende, ja plärrende Klänge beisteuern. Im
Kontrast dazu lassen sich in einzelnen Sätzen die ensembletypische
Eleganz und Subtilität hören, das nachhörende, Linien und heikle
Konstrukte geduldig ausleuchtende Können versierter Stilisten. Die
Formation agiert in dem Programm wesentlich mit Streichern, Cembalo
und Orgel, dazu dem als Salzburger Lautenensemble firmierenden
gezupften Anteil des Basso continuo – auf Theorbe, Laute, Chitarra
thiorbata und Colascione.
Neben den schon angesprochenen, in stupender Qualität realisierten
solistischen Anteilen von Gunar Letzbor findet Erich Traxler in der
Kauer-Suite ein feines Geläufigkeits-Vehikel.
Das Ensemble spielt alle dynamischen Möglichkeiten der Besetzung in
variantenreichen Tempi aus, intoniert wird auf der einen Seite
makellos – auf der anderen Seite spielen die Instrumentalisten mit
der Ruppigkeit der Sätze, mit dem immer wieder einkomponierten
Schmutz und Pulverdampf. Vor allem die Streicher spielen phasenweise
mindestens so sehr Perkussions- wie gestrichene Instrumente, binden
insgesamt alle immanenten Techniken ein, die die damalige Zeit
gefunden hatte. Das Ergebnis wird in einem aufgeräumt-konzentrierten
kammermusikalischen Klang präsentiert, entstanden im Altomontesaal
im Stift St. Florian und mit dessen feinem räumlichen Charme
nobilitiert.
Schlachtengetöse mit künstlerischer Ambition: Battaglien und
verwandte Kompositionen des 17. und 18. Jahrhunderts in einer
temperamentvollen Deutung durch die Ars Antiqua Austria. Wenn auch
das von Gunar Letzbor einleitend formulierte Unbehagen beim Hören
nie ganz vergehen mag.
