FRANKFURTER ALLGEMEINE Zeitung / 05.03.2011 - Grübelei
TOCCATA Nr. 6/2010 - Die verschiedenen Effekte und die originellen Ideen, die man in diesen Stücken findet, kommen jetzt noch besser zum Ausdruck, und die Interpretation ist kontrastreicher und theatraler.
CONCERTO n. 227 – 08/09 2009 - Normal, glatt und unverbindlich ist kein Ton dieser Aufnahme: Akkorde krachen, Dissonanzen ziehen sich penetrant in die Länge und lösen sich in huschendem Piano auf, fugenartige Themen wettern und schmeicheln...
BR-KLASSIK 15.06.2012 - Hier war hörbar ein Heißsporn am Werk, ein Grenzgänger, der rasch wechselnde Affekte über seine musikalischen Landschaften ziehen läßt wie jäh hereinbrechende Gewitterfronten, dessen emotionales Spektrum von tiefer Melancholie über feurigen Zorn und mystische Versenkung bis hin zu bacchantischer Lebensfreude reicht.
WAS IST LOS? / 14.-20.03.2009 - Originalklang
MUSIK AN SICH.com - Die kleine Besetzung
mit zwei Violinen, zwei Violen, Violone, Laute und Orgel sowie zeitweise
zwei Clarintrompeten sorgt dabei für eine erstaunliche Klangvielfalt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.03.2011 Seite 39
Er arbeitete als Seelsorger, Komponist und Musiklehrer in diversen Nonnen-Klöstern: Für einen Benediktinermönch eigentlich ein Traumjob! Romanus Weichlein, 1650 in Linz geboren, hatte in Salzburg auch Philosophie studiert, doch er wurde dessen niemals recht froh, denn Zeit seines Lebens folgte ihm das Gerücht einer brutalen Kriminalgeschichte. Eine Klosterköchin soll sich im Suff handgreiflich mit ihm gestritten haben, mit einer Axt auf ihn losgegangen sein, ja, man munkelte sogar, der leicht erregbare Weichlein habe die Köchin seinerseits ermordet. Von dieser blutrünstigen Historie findet sich allerdings in den Violin-Sonaten aus dem Jahr 1695, die Gunnar Letzbor jetzt mit seinem Ensemble Ars Antiqua Austria herausgebracht hat, nichts, im Gegenteil: Hier handelt es sich um eine fromm-meditative Musik.
Letzbor, der ein Faible für fast vergessene, aber die Entdeckung lohnende österreichische Komponisten hat, wie etwa Vilsmayr oder Aufschnaiter, liegt die Musik von Romanus Weichlein besonders am Herzen, seine in den Harmonien beinahe minimalistische Sonatensammlung „Encaenia Musices“ erinnert an die Geigenstücke Heinrich Ignaz Franz Bibers, der für Weichlein Vorbild war. (Symphonia SY 08230, im Vertrieb von harmonia mundi). Beim Basso continuo des Ensembles ersetzt ein für die österreichische Barockmusik typischer Violone, der rauher und kräftiger klingt, das Violoncello. So verleiht Letzbors Ensemble der Musik Weichleins die nötige Tiefengrundierung für die variierenden Ostinato-Sätze. Und selbst die festlich klingenden Clarino-Barocktrompeten verstärken den überall aufscheinenden melancholischen Unterton dieser grüblerischen Sonaten. Birgit Pauls
TOCCATA Nr. 6/2010
Ars Antiqua Austria hat sich von Anfang ihrer Existenz immer für den österreichischen Komponisten Romanus Weichlein eingesetzt. Schon 1993 und 1994 erschienen erschienen eine Aufnahme seiner Sammlung Encaenia Musices des Jahres 1695 bei der italienischen Firma Symphonia. Jetzt liegt eine Neuaufnahme vor, die die alte nicht ganz ersetzen kann, da die damals aufgenommenen Duette für zwei Trompeten hier leider ausgelassen wurden. Die alte Aufnahme war gut, diese neue ist besser. Die verschiedenen Effekte und die originellen Ideen, die man in diesen Stücken findet, kommen jetzt noch besser zum Ausdruck, und die Interpretation ist kontrastreicher und theatraler. Dadurch wird die Qualität dieser Musik noch eindrucksvoller zur Schau gestellt. Und es zeigt sich einmal mehr, dass Weichlein sich vor bekannteren Meistern des österreichischen barock nicht zu verstecken braucht.
Johan van Veen
CONCERTO n. 227 – 08/09 2009
Romanus Weichlein: Encaenia musices (1695). Ars Antiqua Austria, Ltg. Gunar Letzbor. Symphonia (08230) ©2008 (Vertrieb Helikon Harmonia Mundi) 2 Cds
Hat er die Köchin nun umgebracht? Ist er im Oberkirchener Pfarrhaus wirklich so oft gegen ihre Zimmertür gerannt, dass diese schließlich nachgab? Sicher ist nur: Sprengkraft hat Romanus Weichlein allemal, mindestens in seiner Musik. Hör- und fühlbar macht sie das Ensemble Ars Antiqua Austria mit einer Aufnahme der Encaenia Musices. Es ist die vierte CD der Österreicher mit Werken des zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Landsmannes - und eine Jubiläums-CD: Vor zwanzig Jahren hat das Ensemble die Sammlung von Instrumental-Sonaten erstmalig eingespielt.
Das Temperament der Musiker um Gunar Letzbor entspricht wohl dem Weichleins, ob dieses sich tatsächlich im Einrennen von Zimmertüren und Schlimmerem geäußert hat oder nicht. Normal, glatt und unverbindlich ist kein Ton dieser Aufnahme: Akkorde krachen, Dissonanzen ziehen sich penetrant in die Länge und lösen sich in huschendem Piano auf, fugenartige Themen wettern und schmeicheln - manchmal alles konzentriert in Sätzen, die wenig länger als eine Minute dauern. Die fünf Streicher loten unbekümmert ihr Klangspektrum von klar bis kratzig aus. Zwei Clarintrompeten überstrahlen nicht als Highlight alles andere, sondern ergänzen den Streicherklang weich, aber kraftvoll. Laute, Orgel und Violone im Bass, abwechselnd weicher Klangteppich, kaum hörbare Begleiter und in den Vordergrund drängende Antreiber, geben nicht nur langen Ostinato-Sätzen Struktur und Drive. Die Musik fügt sich nahtlos in den Stil des ausgehenden 17. Jahrhunderts ein: Italienische Sonaten sowie Zeitgenossen wie Biber und Schmelzer fallen dem Hörer sofort ein. Individuell ist Weichleins expressive und facettenreiche musikalische Sprache trotzdem - Aufnahmen wie diese tragen vielleicht dazu bei, dass er einen Platz mehr in der Nähe seiner berühmten Kollegen erhält.
Christine Lanz
BR-KLASSIK
Verachtet mir die Priester nicht
Kühne Musik eines Benediktiner-Paters
"Ora et labora", "Bete und arbeite"... - wie konnte im spirituellen Dunstkreis der ausgleichendunextremistischen Mönchsregel des Heiligen Benedikt eine derart heissblütige Musik entstehen wie die des Ehrwürdigen Vaters Romanus Weichlein?
Autor: Andreas Grabner / 15.06.2012
Ein intellektuell-kulturelles Zentrum, das sich mit den großen Städten und sogar dem Kaiserlichen Hof messen konnte: Vom oberösterreichischen Benediktinerstift Lambach hieß es in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, es habe "fast die beste Musik, so nechst der Wienerischen in dem Erzherzogtume Österreich den billichen (im damaligen Sprachgebrauch: verdienten) Ruhm hat." Ein wohl attraktiver Ort für einen jungen Mann mit zugleich musikalischen und spirituellen Neigungen und Gaben, und so trat der 1652 in Linz in eine Musikerfamilie hineingeborene Andreas Franz Weichlein 1671 im Alter von 19 Jahren in dieses altehrwürdige Kloster ein, um sich fortan als Pater Romanus ganz seiner Doppelbegabung zu widmen. Der Benediktiner-Orden förderte Weichlein nach Kräften, schickte ihn nach Salzburg, wo er an der ordenseigenen Universität seinen Doktor der Philosophie machte und mit Sicherheit Heinrich Ignaz Franz Biber kennenlernte. Nach seiner Priesterweihe 1678 verbrachte er einige Jahre in seinem Mutter- Kloster, dann wurde er Kaplan, Musikpräfekt und Hauskomponist zunächst der Benediktinerinnen-Abtei Nonnberg in Salzburg und schließlich in deren Filial-Kloster Säben in Südtirol. 1705 wurde Weichlein als Gemeindepfarrer in das während der Türkenkriege verheerte Dorf Maria Haid in Westungarn versetzt, wo er noch im selben Jahr starb.
1695 kam in Innsbruck Weichleins Opus 1 heraus, "Encaenia musices", eine Sammlung von 12 Instrumentalsonaten. Das griechisch-lateinische Wort "Encaenia" ist nicht so ganz einfach zu übersetzen, es bedeutet irgendetwas zwischen "Antrittsfeier", "Weihefest" und "Neuanfang". "Musikalischer Neuanfang" - kein schlechter Titel für einen Zyklus, der mit seiner erstaunlichen Qualität, seiner Experimentierfreude und seiner Musizier-Lust vollkommen zu Unrecht im Schatten der Instrumentalwerke von Weichleins süddeutschen Zeitgenossen Biber, Schmelzer, Fux oder Muffat steht. Sehr "benediktinisch" ausgeglichen wirkt indes nicht, was da der kompositorischen Fantasie des Ehrwürdigen Vaters Romanus entsprang, im Gegenteil: Hier war hörbar ein Heißsporn am Werk, ein Grenzgänger, der rasch wechselnde Affekte über seine musikalischen Landschaften ziehen läßt wie jäh hereinbrechende Gewitterfronten, dessen emotionales Spektrum von tiefer Melancholie über feurigen Zorn und mystische Versenkung bis hin zu bacchantischer Lebensfreude reicht. Eine hochvirtuose Musik, die mit ihrem hintergründig-eigenwilligen Gefühlsreichtum und ihren Volksmusik-Anklängen durch und durch "österreichisch" ist, und damit eine Musik, die Gunar Letzbor und seiner Ars Antiqua Austria wie auf den Leib geschneidert scheint. Oder vielmehr genau umgekehrt, ein Ensemble, das dieser Musik auf den Leib geschneidert ist? Denn der Erforschung der großen Musik ihrer Heimat widmen sich Letzbor und die Seinen seit Jahrzehnten mit Hingabe und Entdeckergeist (gelegentliche Ausflüge auf vollkommen fremdes Terroir eingeschlossen, wie in einer jetzt fast zeitgleich bei Challenge Classics erschienenen, hellwachen CD mit Instrumentalwerken des Sachsen und langjährigen Darmstädter Kapellmeisters Christoph Graupner). Und sie haben dabei ihren ganz eigenen Ton gefunden: Kaum ein Originalklang-Ensemble unserer Tage, das die Musik seiner Begierde so selbstbewußt und zugleich hochsensibel bis an ihre emotionalen und expressiven Grenzen auslotet. Da werden Figurationen herausgeschleudert wie lodernde Protuberanzen, drängen sich die Harmonien in atemberaubender Enge zusammen, peitschen die Rhythmen, daß einem Hören und Hören vergeht, und im nächsten Augenblick schon flutet schwelgerischer Wohlklang an, in dem keiner innigen Melodie je ein Leid getan werden kann. Eine emotional-interpretatorische Tour de Force, die nicht anders kann als anzurühren.
Solchermaßen tief "verstanden" erweist sich Pater Romanus Weichlein als kongenialer Bruder im Geiste eines anderen geistlich-musikalischen Feuerkopfes, des "Prete rosso" Antonio Vivaldi. Verachtet mir die Priester nicht...............................................................
Originalklang
Seit 20 Jahren nimmt Gunar Letzbor und seine Freunde als Ars Antiqua Austria CDs auf. Von Anfang an stand österreichische Barockmusik im Zentrum, so auch die Werke des in Linz geborenen Komponisten Romanus Weichlein (1652-1706). Zum Jubiläum erschien nun dessen Sonatensammlung "Encaena Musices" quasi als zweite Auflage - auch um zu zeigen, wie sich die Klanglichkeit auf dem originalen Instrumentarium und der Zugang zur Musik verändert haben. Es war nicht nur ein Muss für AAA, diese Sonaten erneut und überaus virtuos einzuspielen, es ist auch ein Muss, sie gehört zu haben. (Symphonia SY 08230)
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http://www.musikansich.de/review.php?id=6567
GESCHENK
20 Jahre nach seiner ersten CD-Produktion feiert das Ensemble Ars Antiqua
Austria dieses Jubläum in ganz besonderer Weise: Es wiederholt gewissermaßen
seine Premiere und hat sich entschieden, wie damals die Sonaten der Sammlung
Encaenia Musices des österreichischen Barockkomponisten Romanus Weichlein
(1652-1706) einzuspielen.
Weichleins Musik ist dieser Ehre allemal wert. Das hat schon vor kurzem
die Aufnahme einer seiner Messvertonungen bewiesen. Und die
1695 publizierte Sonatensammlung bestätigt diesen Eindruck: In ihrem
leicht herben, aber schwungvollen Barockstil süddeutsch-österreichischer
Prägung und ihrer hohen Expressivität erinnern die Sonaten an
die Kompositionen von Heinrich Biber oder Georg Muffat. Die kleine Besetzung
mit zwei Violinen, zwei Violen, Violone, Laute und Orgel sowie zeitweise
zwei Clarintrompeten sorgt dabei für eine erstaunliche Klangvielfalt.
Dies nun allerdings ist nicht allein Weichleins Verdienst, sondern auch
eine Frucht der exzellenten und aus langjähriger Erfahrung schöpfenden
Interpretation durch Ars Antiqua Austria. Vergleicht man die Neuinterpretation
mit der 1989 entstandenen Aufnahme, so fällt auf, dass die aktuelle
Einspielung wesentlicher gerundeter und klangsatter tönt. Dazu trägt
der Einsatz der Violone anstelle von Cello bzw. Kontrabass bei. Auch geht
das Ensemble jetzt mit noch mehr Mut und musikantischer Frische zu Werke,
was sich u.a. etwa am bisweilen deutlichen Hervortreten der Laute ablesen
lässt. Der Charakter einzelner Sätze als Tanzsätze wird dabei
unterstrichen.
Angesichts der qualitätvollen Jubiläums-CD bleibt zu hoffen, dass
der Formation nicht nur weiter Erfolg und Jubiläen beschieden sein
werden, sondern dass sie ihren Einsatz für vergessene Randfiguren der
Musikgeschichte so konsequent und programmtisch stimmig wie bisher weiterverfolgt.
Sven Kerkhoff