REVIEW
FONO FORUM 04/05
EMPFEHLUNG DES MONATS
Vilsmayr, Artificiosus Concentus pro Camera; Gunar Letzbor (Violine) (2003)
Arcana/HM CD A 328 (72')
Besonders wertvoll
Fast täglich werden im Bereich der Alten Musik mehr oder weniger interessante
Entdeckungen präsentiert, doch kaum eine dürfte, zumindest in
der Sparte der Violinmusik, das Repertoire der Solisten so sensationell
bereichern wie nun die sechs Partiten von Johann Joseph Vilsmayr (1663-1722).
Dieser war ein Schüler Bibers und prominenter Geiger der Salzburger
Hofkapelle. Seine Reputation lässt sich an der steten Erhöhung
seiner Besoldung ablesen, sein Können an den virtuosen sechs Partiten,
die er 1715 unter dem Titel "Artificiosus Concentus pro Camera"
zusammenstellte. Lange Zeit glaubte man, dieses Werk sei unvollständig
überliefert, weil der im Titel erwähnte "Basso belle imitante"
nirgends aufzufinden war; erst vor kurzem stellte sich heraus, dass damit
keine separate Bassstimme, sondern die Unterstimme der Geigenpolyphonie
gemeint ist. Wir haben es hier also mit sechs Partiten für Violine
solo zu tun - dem bedeutendsten Zyklus zwischen Westhoffs Suiten und Bachs
Sonaten und Partiten. Die österreichische Provenienz zeigt sich in
gelegentlichem Rückgriff aufVolksmelodien und in der Skordatur, dem
bewussten Umstimmen der vier Geigensaiten, wie es gerade von Biber zur Perfektion
getrieben wurde. Französisch ist natürlich die Anlage der kurzen
Tanzsätze, doch wie Muffat verbindet auch Vilsmayr französische
Zierde mit italienischem Schmelz. Gunar Letzbor gibt hier als Autor eine
lesenswerte Werkeinführung, doch das eigentliche Lob verdient er für
seine ausgezeichnete Interpretation: Technisch makellos und von einer entspannten
Souveränität, besticht er mit einem warmen, resonanzreichen und
zugleich offenen, kantablen Geigenton. Die Eleganz, aber auch die Würde
seines Spiels lässt dem besonderen Wert dieser Musik höchste Gerechtigkeit
widerfahren.
_________________________________________________________________
_________________________________________________________________
KLASSIK.COM 26.02.2005
Ein vergessenes Meisterwerk
Kritik von Franz Gratl
Hätte ich nicht Vertrauen in Gunar Letzbors Integrität als Mensch
und Musiker, ich würde fast meinen, dass er sich mit Johann Joseph
Vilsmayrs Artificiosus Concentus pro Camera eine ideal auf sich
selbst zugeschnittene Sammlung von Solosonaten komponiert hat. Man kennt
ja Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, wo plötzlich sensationelle
Werke von Komponisten auftauchten, von denen zuvor noch nie jemand gehört
hatte... und die sich dann als fakes entpuppten.
Vilsmayrs Artificiosus Concentus und sein abenteuerliches
Schicksal
Anders verhält es sich offenbar mit Johann Joseph Vilsmayr (1663-1722)
und seinem Opus. Vilsmayr war Geiger am Hof des Fürstenbischofs von
Salzburg, wo er möglicherweise Unterricht beim berühmten Heinrich
Ignaz Franz Biber erhielt. In Salzburg erschien 1715 Vilsmayrs Sammlung
Artificiosus Concentus pro Camera; ein Exemplar hat sich in
der British Library erhalten und war in Fachkreisen schon lange bekannt,
doch dachte man bis vor kurzem, die Quelle sei unvollständig, weil
keine Continuostimme vorhanden ist. Erst der Musikwissenschaftler P. H.
Nobes vermutete, dass es sich um einen Werkzyklus für Solovioline handeln
könnte.
Diese CD ist der klingende Beweis für Nobes Hypothese und zugleich
die Ersteinspielung einer Sammlung, die im schmalen Originalrepertoire für
Solovioline künftig ohne Zweifel einen wichtigen Platz einnehmen wird.
Man muss Gunar Letzbor voll und ganz recht geben, wenn er diese Entdeckung
im Einführungstext als sensationell bezeichnet. Vilsmayr
erweist sich als fantasievoller, fähiger Komponist, der ähnlich
Biber höchste Virtuosität fordert, darüber hinaus aber oft
einen sehr volkstümlich-österreichischen bzw. Salzburger Ton anschlägt.
Die Geige hat sehr viele quasi kontrapunktische Passagen zu bewältigen,
die an Bach erinnern, auch wenn Vilsmayrs Sonaten stilistisch mit Bach wenig
zu tun haben, sondern in der großen böhmisch-österreichischen
Tradition des 17. Jahrhunderts wurzeln. Das zeigt sich auch in der Verwendung
der Skordatur in bester Biberscher Manier. Rhapsodisch freie Präludien
wechseln mit Tänzen und Arien, die häufig regelrechte Charakterstücke
bilden und rhythmisch oder melodisch sehr eigenwillig gestaltet sind.
Spieltechnische Brillanz und affektbetontes Spiel
Gunar Letzbor spielt auf einer klangschönen Mittenwalder Geige von
Sebastian Klotz. Sein Spiel ist gekennzeichnet durch technische Brillanz
und große rhythmische Freiheit. Das geschäftige Passagenwerk
kommt, unterstützt durch die hervorragende Klangtechnik, mit atemberaubender
Sicherheit daher. Gleichzeitig trifft Letzbor den jeweiligen Affekt stets
sehr gut und lässt in den Tanzsätzen angemessenen Schwung nicht
missen. Ich kann mir kaum einen besseren Sachwalter für ein vergessenes
Meisterwerk der süddeutsch-österreichischen Violinliteratur vorstellen
als Gunar Letzbor, der sich mit seiner Ars Antiqua Austria schwerpunktmäßig
diesem Repertoire widmet; die große Vertrautheit mit dem Vokabular
dieser Musik merkt man auf Schritt und Tritt.
Eine sehr ansprechende Gestaltung des Booklets und der gute Einführungstext
von Letzbor komplettieren das positive Erscheinungsbild einer CD, die dazu
angetan ist, Vilsmayrs Sammlung im barocken Violinrepertoire fest zu etablieren.
_________________________________________________________________
DIAPASON 01/2005
JOHANN JOSEPH VILSMAYR 1663-1722
Artificiosus concentus pro camera.
Gunar Letzbor (violon).
Arcana A328, distr Abeillemusique.com
On découvre peu à peu la musique allemande pour violon solo
contemporaine des Sonate et partitas de Bach sans qu'il soit d'ailleurs
possible de savoir qui a influencé qui dans la naissance de ce répertoire.
Après les Suites de Westhoff par Wallfisch (cf. n° 498) et la
Sonate de Pisendel par Steck (cf. n° 517), voici les Six partias publiées
en 1715 par cet élève de Biber Vilsmayr fut nommé
en 1689 violoniste à la chapelle de la cour de Salzbourg, et donc
promu collègue de son maître.
On retrouve dans lArttficiosus concentus pro camera le styl de cette
école autrichienne de violon (et notamment l'emploi de scordatura),
mais sans l'inventivité de Biber, ni son sens du pittoresque.
Dune grande simplicité de conception les Partias sont des suites
de danses et morceaux de caractère d'une belle fraîcheur d'inspiration,
avec des contrastes et des changements datmosphère violents.
La plupart des danses font valoir une virtuosité étincelante
et une polyphonie subtile, tandis que des arias, chaconnes et autres passacailles
installent des climats plus intériorisés ou nostalgiques.
Vilsmayr est plus un poète de l'instant qu'un architecte ; il préfère
les petites vignettes parfumées (chaque Partia contient entre neuf
et onze mouvements, et le CD en affiche cinquante-six!) aux élans
visionnaires de Bach et de Biber. Gunar Letzbor en fait son miel, lui dont
l'étourdissant brio se joue des pièges des partitions, et
dont le sens poétique sait exprimer le suc de chaque thème,
de chaque trait profitant aussi des chatoiements, parfois acides mais souvent
fastueux, d'un instrument du XVIIIe siècle signé Sebastian
Klotz. Une bien belle découverte.
JEAN-LUC MACIA
Back
_________________________________________________________________
www.klassik-heute.de
J.J. Vilsmayr:
Artificiosus Concentus pro Camera
Gunar Letzbor (Violine) Arcana A 328 (CD. 72' . 2003)
Künstlerische Qualität: 10 (Bewertungsskala: 1-10)
Klangqualität: 10
Gesamteindruck: 10
Johann Joseph Vilsmayr (1663-1722) war Geiger in der Salzburger Hofkapelle
und offenbar Schüler von Heinrich Ignaz Franz Biber. 1715 stellte er
unter dem Titel Artificosus Concentus pro Camera eine Sammlung von sechs
Partiten zusammen, von der erst unlängst klar wurde, daß sie
zum Bedeutendsten der Violinliteratur vor Bach gehört. Im Titel dieses
Zyklus wird ein "Basso belle imitante" erwähnt, der nirgends
als separate Baßstimme aufzufinden war; deshalb glaubte man, Vilsmayrs
Werk sei unvollständig überliefert. Erst vor wenigen Jahren konnte
nachgewiesen werden, daß es sich hierbei um sechs Partiten für
Violine solo handelt und mit dem "Basso belle imitante" der imaginäre
Baß der Geigenpolyphonie gemeint ist.
Die sechs Partiten haben acht bis elf Sätze und dauern im Schnitt zwölf
Minuten. Alle beginnen mit einern Prelude, und viele Tanzsätze sind
französisch geprägt; indes sind auch deutlich italienische Züge
zu vernehmen, nicht nur in den mit "Aria" überschriebenen
freien Sätzen, sondem auch in der Art der Liniengestaltung. Ein vor
allem in süddeutschen Violinmusik beliebter Kunstgriff ist der häufige
Einsatz der Skordatur, des absichtlichen Umstimmens der Saiten; hierdurch
ändert sich nicht nur die Klangfarbe des Instruments, sondern es können
auch Akkorde geschrieben werden, die auf einer normal gestimmten Geigen
unspielbar sind.
Gunar Letzbor erweist sich als höchst kompetenter Anwalt dieser Musik.
Auf einer Violine von Sebastian Klotz spielt er mit warmem, vollem und griffigem
Ton, ohne das Zarte und Lyrische zu vernachlässigen. Seine Interpretation
strahlt Kraft und Selbstbewußtsein aus, ohne daß sich diese
Eigenschaften vor das Werk stellten, im Gegenteil: Letzbor präsentiert
sie mit einer bestechenden Leichtigkeit, die der ganzen Angelegenheit eine
angenehme Selbstverständlichkeit verleiht. Gewiß kommt die Wiederentdeckung
von Vilsmayrs Artificiosus Concentus pro Camera einer Sensation gleich,
denn die Bereicherung des Repertoires durch diesen Fund ist in der Tat enorm.
Erfreulicherweise verzichtet Letzbor darauf, das Sensationelle des Fundes
durch eine übertrieben spektakuläre Interpretation noch hervorzuheben;
vielmehr stellt er die sechs Partiten als das dar, was sie sind: das Bindeglied
zwischen Biber und Bach.
Theodor Schliehen
06.04.2005
_________________________________________________________________
CLASSICA REPERTOIRE No 70 mars 2005_________________________________________________________________
www.classicstodayfrance.com
JOHANN JOSEPH VILSMAYR
Artificiosus Concentus pro camera
Gunar Letzbor (violon)
Arcana- A 328(CD)
Après de très belles Sonates du Rosaire de Biber, le violoniste
Gunar Letzbor poursuit son incursion dans le répertoire autrichien
pour violon des XVIIe et XVIIIe siècles. Cette quête l'a conduit
à exhumer de la British Library de Londres ces Six Partitas pour
violon seul, publiées en 1715 sous le titre "Artificiosus Concentus
pro camera", d'un certain Johann Joseph Vilsmayr, violoniste de cour
à la chapelle de la cour de Salzbourg de 1689 à sa mort en
1722. Cet élève de Biber s'est largement inspiré de
l'écriture de son maître. En effet, tous les passages solistes
font la part belle à ce figuralisme musical, marqué par des
explosions de traits-fusées, d'accords arpégés et de
staccatos volants d'une incroyable virtuosité, comme on l'entendra
dans les nombreuses courantes. De même, Vilsmayr use avec bonheur
du principe de la scordatura (Partitas II à V), qui consiste à
réaccorder les cordes du violon pour obtenir de nouvelles couleurs
sonores. Pour apprécier ce trait stylistique typiquement autrichien,
on écoutera tout particulièrement le deuxième aria
de la Partita IV. Les grands sauts mélodiques y sont saisissants
et l'on a comme l'impression d'entendre une même mélodie passer
d'un violon à un autre.
L'imagination musicale dont fait preuve Gunar Letzbor est un vrai bonheur.
Son instrument, un Sebastian Klotz du XVIIIe siècle, contemporain
de ces Partitas, possède une sonorité charnue qui offre une
grande palette de nuances. Dans les mouvements lents, les sons filés
soutenu par un très fin vibrato, permettent d'apprécier le
son pour lui-même. Il y a dans cette lecture une sorte de contemplation
musicale qui l'emporte sur toute forme de jubilation. En ce sens, Gunar
Letzbor s'éloigne de tout modèle corellien pour inscrire ces
Partitas dans une veine plus spirituelle que n'aurait pas reniée
Bach. On le constatera encore plus dans les mouvements de danse qui se déploient
en pure apothéose du rythme (cf. "Guiqß" de la Partita
III, Rigodon de la Partita V ou encore la magique Fantaisie de la Partita
II).
Voici donc une superbe résurrection musicale, témoin de la
passion et de la fine intelligence de l'interprète.
--Sylvain Gasser