REVIEW

KLASSIK.COM 07/2015 - Biber ist bei Gunar Letzbor und dessen Ensemble in den allerbesten Händen, einmal mehr ist das zu konstatieren. Diese herausragend qualitätvolle Ensemblemusik wird durch Ars Antiqua Austria kongenial verlebendigt...
THE OBSERVER 12.07.2015 - There is great instrumental variety here, as violin and violas antiphonally echo or imitate two trumpets ...


KLASSIK.COM 22.07.2015


Kritik von Dr. Matthias Lange

Sonatenschatz

Biber ist bei Gunar Letzbor und dessen Ensemble in den allerbesten Händen: Die herausragend qualitätvollen Sonaten werden durch Ars Antiqua Austria kongenial verlebendigt.

Heinrich Ignaz Franz Biber begann in den 1670er Jahren, sehr verschiedene Instrumentalbesetzungen in den populären Formen der Zeit zu erkunden, auf höchstem Niveau, spürbar inspiriert und mit viel idiomatischem Feinsinn. Am Beginn standen 1676 zwölf Sonaten, für eine um zwei Trompeten erweiterte Streicherbesetzung, denen später die heute weit populäreren ‚Rosenkranz-Sonaten’ sowie das ‚Fidicinium Sacro-Profanum‘ folgten. Die frühen Sonaten erlauben in ihrem Besetzungsmaximum einige Prachtentfaltung, reduzierte Passagen bieten erlesene Klänge von einiger Delikatesse. Biber war freilich vor vielem anderen ein eminenter Komponist für die Violine, das hört man etlichen sehr effektvollen Passagen deutlich an, die auch in dichter kammermusikalischer Textur quasi solistisch empfunden sind.

Der österreichische Geiger und Ensembleleiter Gunar Letzbor hat zusammen mit seiner Ars Antiqua Austria diese Sonatensammlung eingespielt, nachdem er auch die anderen großen Biber-Zyklen dieses Zuschnitts schon in teils bejubelten Produktionen vorgelegt hat. Echte Biber-Expertise ist da also versammelt, angereichert durch eine riesige Erfahrung im kreativen Umfeld des Komponisten, eigentlich in allen erdenklichen Winkeln barocken Musizierens im Habsburgerreich.

Ideale Interpreten

Das Ensemble spielt diese kostbare Musik klangfreudig und subtil, stilsicher und musikantisch stark. Die Besetzung ist qualitativ homogen, man kann im gelegentlich dichten Gewebe kaum je von vermeintlichen Nebenstimmen sprechen, alle Akteure bringen ihre Partie dezidiert zur Geltung. Dennoch ist es gerade die Ensemblehaltung, die das Musizieren der Formation so bemerkenswert macht. Wie stets bei Gunar Letzbor und seinem Ensemble sind mit Inbrunst angegangene, saftige Kraftausbrüche zu erleben, beherzt und motiviert, nicht vordergründig oder bloß behauptet. Gunar Letzbor ist ein brillanter ‚Anführer‘ des Geschehens, stellt seine immensen Fähigkeiten aber umstandslos in den Dienst des Ensembles: Sein Ton blüht, seine Bogenführung wirkt leicht und ist zugleich von einer kultivierten Kraft getragen. Die Streicherkollegen unterhalb des Primarius‘ fügen sich nahtlos ein, die fabelhaften Trompeten punkten nicht nur in signalhafter Geste, sondern auch in schlichten, reduzierten Momenten. Die wie immer bei Ars Antiqua Austria hervorragende Continuogruppe begleitet mehr als nur verlässlich: Die Möglichkeiten von Violone, Cembalo, Orgel und Theorbe werden in vielen Farben und Schattierungen zu einem wirklich behänden Geschehen gefügt. Letzbor setzt auf entschieden gewählte Tempi, so in den kaum einmal sieben Minuten umfassenden Sonaten ein spannungsreiches Geschehen entfaltend. Ähnlich kontrastreich geht es in dynamischer Hinsicht zu, einer Sphäre, die das Ensemble trotz seiner schmalen Besetzung besonders dezidiert gestaltet. Artikulatorisch wird ebenfalls Variantenreiches geboten, von der harschen Attacke bis zum edel ausgesungenen Melos. Das Klangbild der hybriden SACD ist nicht weniger als perfekt zu nennen: Es ist plastisch gebaut, groß und präzis zugleich, stimmungsvoll erwärmt, ideal durchhörbar. Man meint, inmitten des Ensembles zu sitzen, dabei zu sein, wie die Musiker einander die Bälle zuspielen – eine herausragende Arbeit von Bert van der Wolf von Northstar Recording. Biber ist bei Gunar Letzbor und dessen Ensemble in den allerbesten Händen, einmal mehr ist das zu konstatieren. Diese herausragend qualitätvolle Ensemblemusik wird durch Ars Antiqua Austria kongenial verlebendigt.


 

THE OBSERVER 12.07.2015