REVIEW


THE STRAD April 28, 2015 - Solo masterpieces up close and personal, warts and all.
FONO FORUM 01/15 - Man hat wohl noch keinen Musiker erlebt, der seine Hörer mit einer so ehrlichen Spielweise konfrontiert.
Leporello | BR-KLASSIK 11/14 - Und das alles in der typisch vitalen, ekstatischen Interpretation von Gunar Letzbor, die - technisch virtuos ohnehin - analytische Kraft zusammenbringt mit warmer Sinnlichkeit, gestisches Feuer in den oft auf einem einzigen langen Spannungsbogen musizierten raschen Sätzen mit kontemplativ fließender Gelassenheit in den langsamen.

 


THE STRAD 04/15
http://www.thestrad.com/cpt-reviews/bach-three-solo-partitas-in-b-minor-bwv1002-d-minor-bwv1004-e-major-bwv1006/
April 28, 2015

Bach: Three Solo Partitas in B minor BWV1002, D minor BWV1004 &
E major BWV1006


Solo masterpieces up close and personal,
warts and all

‘Bach in private’, promises Gunar Letzbor’s apologium for a recording so close, dry and frankly airless that you feel you might be standing a metre or two away from him. The physical effort behind his playing, too, is palpable, as Letzbor bravely allows every little imperfection to be shown up along with his sighs and groans: as he says, a recording isn’t a concert, where allowances would more naturally be made for a rogue string touched in passing or a lost note that is quickly forgotten.

At home, you’re stuck for ever with the stretched note at the apex of each phrase in the B minor Partita’s Double and the cussedly plain double-stopping of its Sarabande. The great bookends of the D minor Partita are approached as doorstop novels in their own right, as Letzbor breathes and mulls over
a turn of phrase like an Ibsen character where the Strindbergian drive of a violinist such as Christoph Poppen cuts to the quick; but Letzbor’s recreative zeal harries the gigues into submission and he fairly tears into the E major’s Preludio, creating the unusual if anachronistic effect of guitar feedback (which I last encountered with Nigel Kennedy’s appropriations of Hendrix).

This is warts-and-all Bach, and anyone attracted by the idea should also investigate Letzbor’s previous disc of the Sonatas. Others should approach with caution.
PETER QUANTRILL

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FONO FORUM 01/15

Ehrlich

Gunar Letzbor ist mutig. Er präsentiert sein Geigenspiel nackt, ohne jede schmeichelnde Raumakustik. Der Hörer kann die Geige so hören wie der Spieler in einem kleinen Raum. Das funktioniert durch ganz nah am Instrument platzierte Mikrophone, die den Klang möglichst wenig verfälschen. Dieses Experiment des direkten, nackten Spielens hat freilich zur Voraussetzung, dass der Spieler die Bach'schen Solo-Partiten in einer blitzsauberen Intonation umsetzen kann. Hier leistet Gunar Letzbor Phänomenales. Da sitzt jeder Ton, in langsamen wie schnellen Sätzen. Dann erst wirkt dieser rohe, ursprüngliche Geigenton und nimmt den Zuhörer quasi körperlich gefangen, als sei er selber der Instrumentalist. Man höre sich die abschließende Gigue der E-Dur-Partita (BWV 1006) an: Letzbor spielt in einer rasenden Geschwindigkeit, aber man hört jeden Strich, jeden Bogendruck, ja sogar die Lagenwechsel. Indem das Ganze in einer musikantisch-handwerklichen Perfektion abläuft und die Arbeit des Spielens spürbar bleibt, aber überstiegen wird, zeigt Letzbor, dass Musizieren immer an die Materie gebunden bleibt. Er ist sozusagen ein virtuoser Bildhauer Bachs. Das gilt auch für die langsamen Sätze, etwa die Allemande der d-Moll-Partita (BWV 1004). Letzbor knetet aus dem Tonlehm ein kunstvolles plastisches Gebilde. Man hat teil am Verfertigen der Musik und nicht an einem künstlichen Endergebnis. Man merkt als Zuhörer, dass Geigenspiel keine einfache Sache ist und freut sich, dass alles so gut gelingt, der einzelne Vorschlag, das sanft platzierte Ritardando, eine nachschwingende Saite. Man hat wohl noch keinen Musiker erlebt, der seine Hörer mit einer so ehrlichen Spielweise konfrontiert.
Richard Lorber

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Leporello | BR-KLASSIK | Radio | BR.de

Johann Sebastian Bach
Partiten für Violine solo

Sei solo, À Violino senza Basso accompagnato, Libro Primo Da Johann Sebastian Bach, Anno 1720: So steht es auf der Titelseite. Unter Name und Jahreszahl hat Bach mit einer Geste aus Kraft und Konzentration eine schwungvolle Tintenlinie gesetzt , die wie ein Blitz in die rechte untere Ecke zuckt - ein japanischer Zen-Meister hätte es nicht besser machen können.

Von: Andreas Grabner 12.11.2014

Dann folgen die Noten und sind ein kalligraphisches Ereignis: Als hätte Bach in einem Akt strenger Disziplin den reißenden Strom seiner emotional-kreativen Kräfte hier in geschriebene Musik gezwungen, in der jede punktgenau gesetzte Achtel, jeder schwindelerregend gewundene Legato-Bogen Zeugnis ablegen von der zu Kunst geronnenen Ekstase ihres Schöpfers. Und auch das Unterfangen selbst grenzt an Wahnsinn: Die ganze Wahrheit zu sagen über die menschliche Existenz und vielleicht auch darüber hinaus mit nichts als den vier mickrigen Saiten einer Geige. Stücke wilden Daseinsschmerzes sind dabei, wie die berühmte riesige Ciacona am Ende der d-moll-Partita, aber auch solche voller tänzerischer Lebensfreude , wie die herzallerliebste E-Dur-Gavotte.

Herkules-Aufgabe

Für jeden Geiger sind Bachs Solo-Partiten und -Sonaten eine Herkules-Aufgabe. Expansive vierstimmige Fugen müssen spannungsvoll ziseliert, Präludien zu Feuerwerken werden, Tänze in die Beine fahren, und das alles sozusagen „gegen“ die Grenzen des Instruments , mit halsbrecherischen Doppelgriffen , makellosem Passagenwerk, rhythmischer (Über)präzision - was selbst Koryphäen ihres Faches unter den Bedingungen der riesigen Konzertsäle von heute oft nur eingeschränkt gelingt. Das ist eindeutig Musik für die „Kammer“. Und so, in einer Kammer, in seinem Schlafzimmer in einem barocken Gutshof in der Nähe von Pisa, hat Gunar Letzbor sie eingespielt, Mikrophone fast in Tuchfühlung mit seiner Klotz-Geige, ein faszinierendes Nah-Bach-Erlebnis.

Dass Geigenspiel ein zutiefst dinglicher Vorgang ist, hier kann man’s hören: Das Klopfen der Finger auf dem Griffbrett , die Kratzgeräusche in den ersten Millisekunden des aufblühenden Tons , die mitschwingenden leeren Saiten - ein feinst gemeißeltes Klangrelief. Und das alles in der typisch vitalen, ekstatischen Interpretation von Gunar Letzbor, die - technisch virtuos ohnehin - analytische Kraft zusammenbringt mit warmer Sinnlichkeit, gestisches Feuer in den oft auf einem einzigen langen Spannungsbogen musizierten raschen Sätzen mit kontemplativ fließender Gelassenheit in den langsamen. Bachs Sei solo bleiben eine intellektuell-emotionale Herausforderung sowohl für den Spieler als auch für den konzentrationsfähigen und -bereiten Hörer. Wer sie aber wagt, dem winkt - in Gunar Letzbors zwingender Interpretation zumal - reicher Lohn.

http://www.br.de/radio/br-klassik/sendungen/leporello/cd-tipp-bach-gunar-letzbor100.html

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