Märkische Allgemeine – Zeitung für das Land Brandenburg
vom 16.Juni 2009

MUSIKFESTSPIELE: Ars Antiqua Austria ließ "Wiener Blut" fließen

Frömmigkeit und Lebensfreude

Von Sonja Boerdner

POTSDAM: [...]
Haydn ließ sich aber nicht nur von der strengen Formensprache des Barocks inspirieren. Viel unmittelbarer dürften die Einflüsse aus dem östlichen Europa gewesen sein. Prägender noch als die.effektreiche Militärmusik der Türken, die lange Zeit vor den Toren Wiens lagerten, war die ungarische und slowakische Volksmusik.

Wie es geklungen haben mag im Vielvölkerstaat der Österreicher und Ungarn des 18. Jahrhunderts, zeigten am Sonntagabend Gunar Letzbor und sein Ensemble Ars Antiqua Austria im Raffaelsaal der Orangerie. In "Wiener Blut" nahmen die sieben Musiker ihr begeistertes Publikum mit auf eine Reise in die Welt der Folklore. Kopf der Truppe ist der Slowake Jan Krigovsky, der als kleiner Junge von den "Zigeunern" in seinem Dorf das Spielen lernte. Ohne Noten versteht sich. Musiker wie er, der auch das Spiel auf der Fujara, einer einfachen, aber sehr stimmungsstarken Lochpfeife, bestens beherrscht, machen es überhaupt nur möglich, die Volkstänze heute noch zu spielen, denn nur die Melodien wurden überliefert.

Diese Musik lebt von der Virtuosität der Spieler und von der Improvisation. Das Zimbalon, ein Tischsaiteninstrument, verleiht ihr eine besondere Klangnote. Anders als in der streng notierten Barockmusik geht es hier nicht um Form und Transzendenz, sondern um sprühende Unmittelbarkeit. Ob die Lieder die Liebe zum Land zelebrieren oder die zu einer schönen Frau, das Spiel ist geprägt von Melancholie, die sich freilich zu höchster Ausgelassenheit steigern kann. Wie in Ekstase spielen die Geiger um die Wette, versuchen sich gegenseitig zu übertreffen, um wieder innezuhalten, einander neue klagende, wehmütige Geschichten zuzurufen - und sich zum nächsten Höhepunkt hinaufzuspielen. Der Tanz ist hier Befreiung, pure Lebensfreude. Ansteckend. Und nicht minder berührend als Händels „Halleluja“.