REVIEW


kulturradio vom rbb - Wiederum erweist sich Letzbor als überragender Deuter der bizarren Partituren.
klassik.com - Violinsonaten von Pandolfi Mealli, in ihrer störrischen Eigenständigkeit bezwingend gespielt von Gunar Letzbor und seinem feinen Ensemble Ars Antiqua Austria.



kulturradio vom rbb, Di 01.10.2013

Giovanni Antonio Pandolfi Mealli
Sechs Sonaten für Violine und B.c , op. 3 ( 1660)


Bewertung : KKKKK

Der Lebenslauf des Giovanni Antonio Pandolfi Mealli war - soweit es den erhaltenen Quellen entnommen werden kann - spektakulär und ungewöhnlich. Er stammt offenbar aus der Toscana, wuchs in Venedig auf und war dann einige Jahre als Kammermusiker am Hof des Innsbrucker Erzherzogs Ferdinand Karl tätig. Hier veröffentlichte er 1660 zwei Bände mit je sechs "Sonate á violino solo". Da diese beiden Publikationen die Opus zahlen 3 und 4 tragen, hat er sicher vorher schon Werke veröffentlicht, die aber verschollen sind. 1669 erschien dann in Rom noch ein Druck Pandolfis, diesmal mit Ensemblesonaten. Im Vorwort wird der Autor als Stadtmusiker in Messina erwähnt. Aus Sizilien musste Pandolfi dann wenige Jahre später fliehen, da er während der Messe einen Kastraten ermordet hat. Seine Spur verliert sich in Spanien.

Eigenwillig
Die beiden Bände mit Violinsonaten zählen zu den bemerkenswertesten Zeugnissen geigerischen Virtuosentums im 17. Jahrhundert. Die Sonaten weisen zwischen zwei und sieben Sätzen auf, die jeweils in sich abgeschlossen sind und große Kontraste aufweisen. Auf engstem Raum wechselt der Komponist unterschiedliche Sujets ab: Variationsreihen, Trillerketten und chromatische Läufe gehören ebenso zu seinen Gestaltungsmitteln wie statische Töne, Glissandi und überraschende Generalpausen. In ihrer Eigenwilligkeit, ihrem Ausdrucksreichtum und ihrer Vielgestaltigkeit sind Pandolfis Violinsonaten wegweisend für die Violinliteratur des späteren 17. und frühen 18. Jahrhunderts, bis hin zu den Werken für Violine solo von Johann Sebastian Bach, und machen den Komponisten zu einem wichtigen Vermittler zwischen italienischer und deutscher Violinschule.

Abwechslungsreiche Besetzung
Nachdem Gunar Letzbor vor zwei Jahren seine Interpretation von Pandolfis op. 4 vorgelegt hat, folgt nun seine Sicht auf die sechs Sonaten op. 3. Wiederum erweist sich Letzbor als überragender Deuter der bizarren Partituren. Für die langsamen Sätze nimmt er sich sehr viel Zeit, kostet die langen Töne und manche Pausen genüsslich aus und gestaltet die vielen Verzierungen und Differenzierungen mit großer Übersicht und Erfahrung. In den schnellen Sätzen gibt es dagegen kein Halten mehr. Hier spielt Letzbor seine volle Virtuosität aus und spart dabei nicht an großen Effekt en. Sehr zugute kommt dieser Aufnahme die Mitwirkung einer gleich fünfköpfigen Continuo-Gruppe aus den Reihen von Ars Antiqua Austria. Dadurch kommt es zu einer überaus abwechslungsreichen und farbigen Besetzung. Selbst innerhalb der Sonaten wechseln die Musiker zwischen Cembalo, Orgel, Violone und verschiedenen Zupfinstrumenten und erzielen dadurch eine ungeheuer lebendige Interpretation.
Bernhard Schrammek, kulturradio

http://www.kulturradio.de/rezensionen/cd/2013/giovanni-antonio-pandolfi-mealli-sechssonaten.html

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Pandolfi Mealli, D. Gio. Antonio - Violinsonaten op.3 Nr.1-6
Eigener Kosmos

Violinsonaten von Pandolfi Mealli, in ihrer störrischen Eigenständigkeit bezwingend gespielt von Gunar Letzbor und seinem feinen Ensemble Ars Antiqua Austria.

Giovanni Antonio Pandolfi Mealli (1624-1687) wird im Booklettext der aktuellen Platte von Gunar Letzbor und seinem feinen Ensemble Ars Antiqua Austria als Violinist, Reisender und Flüchtling beschrieben. Letzteres war er zumindest, nachdem er in Messina im Streit einen Kastraten in der Kathedrale der süditalienischen Stadt erstochen hatte. Violinist, und zwar ein herausragender, weithin anerkannter war er lange zuvor. Das dokumentieren neben zeitgenössischen Zeugnissen heute vor allem die überlieferten Arbeiten aus Pandolfis Feder.

Nachdem Gunar Letzbor vor einiger Zeit das Opus 4, eine frei gehaltene, eindrückliche Sonatensammlung eingespielt hat, liegt nun das Schwester-Opus mit der Nummer 3 vor. Auch zeigt sich Pandolfis violinistische Freiheit und Ausdruckskraft auf einem bemerkenswerten Höhepunkt – wiederum rhapsodisch gehalten, mit etlichen eindrücklichen Steigerungen, aber auch immer wieder echten Ruhephasen bis zu fast vollkommenem Stillstand aller musikalischen Entwicklung.

Verglichen mit op. 4 wirkt hier vieles kantabler und maßvoller ausgeformt, weniger sprunghaft und an den affektiven, auch dynamisch gesteigerten Höhepunkten orientiert. Vielmehr lässt in vielen Sätzen eine avancierte Adagiokultur aufhorchen, die deutlich mehr ist als die Phase zwischen zwei intensiven Höhepunkten. So entstehen ruhig gebaute Linien, durchaus mit spannungsvollen Momenten, wirken vor allem immer wieder fantasievoll belebte Reihungsformen harmonisch und lebendig.

Temperament & Elegie

Dass Gunar Letzbor sich in diesem Repertoire absolut wohlfühlt, hat er hinreichend bewiesen. Und er unterstreicht auch hier, dass er zu den wirklich interessanten Barockgeigern der Gegenwart gehört. Er wird mit seinem klaren, präzisen Ton in entfalteter Virtuosität dem bemerkenswerten technischen Anspruch der Sätze mühelos gerecht. Da prasseln echte Feuerwerke, nimmt die extrem variantenreiche Artikulation für das Spiel des Künstlers ein. Sein Zugriff erschöpft sich aber nicht in motorischer Kleinteiligkeit, die von frappierender Intensität belebt ist. Letzbor gestaltet auch die langsamen Sätze bezwingend und mit Seele, entfaltet die gelegentlich sogar eingängigen Linien mit feiner Elegie. Wichtig auch: Die zahllosen Übergänge zwischen der einen und der anderen Sphäre gelingen absolut überzeugend – bei Pandolfis Sprunghaftigkeit kein unwesentlicher Aspekt. Intonatorisch zeigt Letzbor sich souverän, durchaus mit Schärfen, die durch manch schroffe Attacke aber gerechtfertigt scheinen.

Bei all dem unterstützt ihn sein dezent und geschmackvoll, in vielen nuancierten Farben begleitendes Ensemble kongenial. Es sichert damit einen guten Teil des variablen, vielschichtigen Eindrucks der Musik. Gerade die gezupften Anteile von Gitarre, Erzlaute und Colascione sind unentbehrliche strukturgebende Mittel im gelegentlich sich Bahn brechenden Wahnsinn dieser Musik.

Natürlich sind die Tempi in einer enormen Spannweite, oft auf engstem Raum sich scharf kontrastierend, ausgeprägt und werden zu einem hervorstechenden Merkmal der Musik Pandolfis. Sie entschieden zu wählen und in ein bezwingendes Tableau einzufügen, ist kein kleines Verdienst.

Das Klangbild wirkt natürlich in den Raum integriert, plastisch und klar, in der Summe dezent. Dabei dann vielleicht auch etwas zu verhalten und zu schmal, gerade in der Präsentation des differenziert besetzten Bassregisters.

Gunar Letzbor überzeugt auch mit seiner zweiten Pandolfi-Platte und nimmt für dessen sehr eigentümliche, aber auch unleugbare Qualitäten ein. Das Ergebnis stellt aber auch das geigerische Vermögen und den künstlerischen Rang Letzbors heraus, getragen von einem harmonisch besetzten und aufmerksam begleitenden Ensemble.

von Dr. Matthias Lange, 02.11.2013

http://magazin.klassik.com/reviews/reviews.cfm?task=record&
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