REVIEW: Johann Joseph Fux, Gesù Cristo negato da Pietro


Online Merker, 06.02.2021 - Das Ensemble Ars Antiqua Austria unter Gunar Letzbor findet einen guten Kompromiss zwischen der für das Verstehen des Textes und der Kontemplation notwendigen Bedächtigkeit und der für den Zuhörer der Gegenwart notwendigen Lebendigkeit.

 



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CD: JOHANN JOSEPH FUX: GESU CRISTO NEGATO DA PIETRO –
Ars Antiqua Austria, Gunar Letzbor
06.02.2021

Johann Joseph Fux, geboren um 1660 in Hirtenfeld bei Graz, gestorben am 13. Februar 1741 in Wien, galt und gilt der modernen Musikgeschichte als der Vater des Kontrapunkts. Entsprechend gilt seine Kompositionslehre Gradus ad Parnassum (1725), ein 1742 ins Deutsche übersetzte Lehrbuch über die Grundlagen des Kontrapunkts, als sein einflussreichstes Werk. Sein breit gefächertes musikalisches Werk, Opern, Kirchen- und Instrumentalmusik, geriet rasch in Vergessenheit und wird erst seit kurzem wiederentdeckt.

Am Hof von Kaiser Karl VI. (1711 bis 1740) lebte man das spanische Hofzeremoniell: entsprechend streng war auch die Musik reglementiert: Für die Kirchenmusik war strenger Kontrapunkt im Palestrina-Stil Pflicht. Etwas gelockerter waren die Vorschriften für oratorische Werke und damit auch Sepolcri und Componimenti sacri. Mehr oder weniger frei waren die Opern-Komponisten. In der Zeit Karls VI. hatten die Jesuiten die Kultur und die Religion in Wien fest im Griff. Die Vermittlung religiöser Gefühle in bildhaft theatralischen Darstellungsformen war ein wichtiger Akt der Gegenreformation. Ziel der Kunstwerke waren gefühlvolle Erkenntnisse und der Empfang des göttlichen Heils durch erleuchtete Gläubige.

Die beim Label Accent vorgelegte Aufnahme von «Gesù Cristo negato da Pietro» entstand im Rahmen eines Konzerts am 24. Januar 2020: Das «Componimento sacro per musica» erklang nach seiner Uraufführung am 7. April 1719 erstmals wieder in der Öffentlichkeit. Aufgezeichnet wurde die Generalprobe am 24. Januar 2020, tags darauf fand eine Korrektursitzung statt.

Dirigent Gunar Letzbor hat sich für eine ganz neue Art entschieden, Oratorien mit schwierig zu verstehenden italienischen Texten zu präsentieren. Statt die, wie für ein geistliches Werk der Karwoche typisch, umfangreichen Rezitative ausführlich zu geben wurden im Konzert die Bilder der Szene und die Handlungen und Gefühle der Personen in kurzen Zusammenfassungen geschildert. Zusätzlich, so das Booklet zur CD, rezitierten die Sänger die kurzen Texte der Arien vor dem Singen in einer deutschen Übertragung. In ausgesuchten Ausschnitten wurden auch Rezitativtexte auf Deutsch rezitiert, um einen Eindruck der dramatischen Dichtkunst des Librettisten Pietro Pariati (1665-1733) zu vermitteln.

Die Solisten Daniel Johannsen als Pietro Apostolo, Alois Mühlbacher als Ballila, Gerd Kenda als L‘Odio de‘ Giudei, Markus Forster als L‘Amor Divino und Maria Ladurner als L‘Umanita Peccatrice beeindrucken mit tadelloser Stimmführung und selten erlebter Textverständlichkeit.

Das Ensemble Ars Antiqua Austria unter Gunar Letzbor findet einen guten Kompromiss zwischen der für das Verstehen des Textes und der Kontemplation notwendigen Bedächtigkeit und der für den Zuhörer der Gegenwart notwendigen Lebendigkeit.

Die neue Art Oratorien mit schwierig zu verstehenden italienischen Texten zu präsentieren funktioniert.

06.02.2021, Jan Krobot/Zürich

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