FONO FORUM 3/95
Biber, Acht Violinsonaten, Sonata representativa, Gunar Letzbor (Violine),
Ars Antiqua Austria,
Symphonia / Fono Münster 2 CD 94 D 28 (WD: 100'07) DDD
Aufhahmedatum: 1994
Klangbild: Warm, füllig, räumlich
Fertigung: Sorgfältig
Vergleichseinspielungen: Andrew Manze (harmonia mundi France/Helikon 2
CD 907134/35), Marianne Ronez (Cavalli 2 CD 210), Thomas Pietsch (ambitus/Fono
Münster CD 97804)
Ein großer Gewinn.
Lange Zeit klaffte eine große Lücke im Biber-Katalog:
Während alle Geiger sich auf die handschriftlich überlieferten
„Rosenkranzsonaten" stürzten, blieb die Sammlung der acht
gedruckten Sonaten von 1681 fast gänzlich unbeachtet. Jetzt kamen
innerhalb weniger Wochen gleich vier Interpreten auf die Idee, diesen
unhaltbaren Zustand zu ändern, und alle vier Ergebnisse sind von
hervorragender Qualität. Die vorliegende Neueinspielung ist freilich
die beste von allen, und obwohl man mit den anderen Aufnahmen auch jetzt
noch zufrieden sein kann, ist die Symphonia-Produktion doch als deutlicher
Fortschritt zu erachten.
Das beginnt schon im Technischen Gunar Letzbor ist seinen Konkurrenten
geigerisch überlegen, seine Intonation ist sicherer, sein Bogenstrich
lockerer, sein Ton blüht mehr auf, das ganze Spiel wirkt selbstverständlicher.
Noch wichtiger ist aber seine besondere Umsicht: Bibers Stil findet seine
Entsprechung im „schmuckbegierigen zu tobender Übertreibung
neigenden katholischen Barock", wie es Thomas Pietsch treffend formuliert.
Doch was im Konzert beeindruckt, kann auf CD leicht erschlagen. Zum Beispiel
die Tierlaute der „Sonata representativa": Andrew Manze kostet
die Komik drastisch aus, was schnell zu Ermüdungserscheinungen fuhrt;
bei Gunar Letzbor klingt derselbe Effekt wesentlich subtiler, charmanter
und letztlich auch witziger. Es ist keine falsche Zurückhaltung die
der Solist hier übt, er stellt lediglich seine eigene Virtuosität
weniger in den Vordergrund und läßt dadurch die der Stücke
besser zur Geltung kommen. ...
Matthias Hengelbrock
Toccata Nr.3/2005 Mai-Juni 2005
H.I.F.BIBER Sonatae Violino Solo 1681,
Ars Antiqua Austria: Gunar Letzbor
(1994; 100:07). Symphonia SY94D28 (2 CDs)
Es mag auch an der Ortswahl gelegen haben: in Italien, im Land der südlichen
Sonne, der Teufelsgeiger und geheimnisumwitterten Geigenbauer, wo der
die Kunst wie der Wein gedeihen und man aus dem kühlen Norden jenseits
der Berge anreist - dort haben Gunar Letzbor und seine Mannen die Sanatae
1681 von Biber aufgenommen. Doch verstehen sie die acht Sonaten weniger
als virtuose Machwerke, sondern gestalten gemeinsam - die variable Continuobesetzung
mit fünf Musikern wirkt mit - und versuchen mit breiter Ausdruckspalette
Affekte zu schildern. Das schließt Deutlichkeit und durchaus Dramatik
in der Darstellung durchaus mit ein, auch das spielerische Element kommt
nicht zu kurz. Das rückt die Sammlung in die Nähe der Aufnahme
der Rosenkranz-Sonaten desselben Ensembles. In der eingefügten Sonata
representativa wird außerdem noch einmal in kleinerem Rahmen. der
Kontrast zwischen eher konventionellen "schön klingenden"
Abschnitten, die sich per se für eine eigene Sonate eignen würden,
und Teilen, die hier mit explizitem Programm versehen sind, verdeutlicht,
in denen Ars Antiqua Austria frei experimentieren kann. Eine spannende
Aufnahme - wie hätte wohl bei einem Vorspie1 dieser Art seinerzeit
Kaiser Leopold I. reagiert?